Mittendrin statt nur dabei.

Über unseren Blog „Mitten im Geschehen“ könnt ihr täglich aktuelle Neuigkeiten aus unserem Kinderheim Angels Home for Children in Sri Lanka erfahren. Sowohl die Projektleiter Frank und Julia als auch die Freiwilligen berichten hier über ihre Arbeit mit den Mädchen, witzige Begebenheiten aus dem Alltag oder auch über Besonderheiten aus einem Leben in Sri Lanka. Mit unseren Blogeinträgen möchten wir euch kontinuierlich auf dem Laufenden halten und teilhaben lassen, was wir dank eurer Hilfe mit dem Dry Lands Project e.V. für die Kinder hier erreichen. Viel Spaß beim Lesen!
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Es ist nie falsch, das Richtige zu tun!

Abschiedsbild - bitte alle mal lächeln. Abschiedsbild - bitte alle mal lächeln.


Meine letzten Tage im Angels Home brechen an und ich blicke zurück auf erfahrungsreiche, lustige und manchmal anstrengende Tage.

Mitnichten ist es so, dass hier immer alle nur Lachen, wie in unseren Posts zu sehen ist. Natürlich fängt man meistens diese Momente ein. Aber da sind auch andere Momente, in denen gezankt, geschrien, gekniffen, gehauen und geweint wird. In denen wir ermahnen und schlichten müssen. Alle diese Momente gehören bei einem Haufen von 50-60 Mädchen eben auch dazu. Und ich bin auch für diese Momente dankbar, wenn aber glücklicherweise die Fröhlichen überwiegen.

Ich erinnere mich an meinen ersten Tag hier, als ich ankam und die anscheinend wichtigste Frage, die mir gestellt wurde, war: „ Buddhist or Catholic"?

Ich gebe zu, das hat mich ein wenig überrascht und ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, bin ich doch weder das eine, noch das andere.

In den Folgetagen war ich vor allem damit beschäftigt, mir die 50 Namen der Mädchen und die des Personals zu merken. Da kamen die Kinder x-Mal am Tag auf mich zu, um mich abzuhören, ob ich denn nun endlich ihren Namen kenne, manchmal 20 auf einmal. Glücklicherweise nehmen die Kinder es einem nicht übel und lachen eher über einen. Aber ich dachte, meine Sorgen, die ich im Vorwege hatte, dass ich mir im Leben all die Namen nicht werde merken können, würden sich bewahrheiten. Nein, so war es nicht. Es hat am Ende vielleicht 10 Tage gedauert und ich konnte alle sicher mit ihrem Namen benennen. Kurz danach konnte ich dann auch die Unterschiede bei unseren beiden Zwillingspaaren erkennen und auch diese sicher auseinanderhalten.

Und nicht nur das, schon nach Kurzem konnte ich viele Kinder, ohne sie zu sehen, schon anhand ihres Lachens, ihrer Stimme oder ihres Weinens auseinanderhalten. Wer hätte das gedacht?!

Ein besonderer Geburtstag für mich.
Bei den Selfies sind die Mädchen auch immer voll dabei.

Bereits nach kurzer Zeit fingen einige der größeren Mädchen an, mich „Ammā" zu nennen, was Mutter bedeutet. Und sie lehrten mich gleich dazu, was die zu erwidernde Antwort ist, so nenne ich sie seither „Due" (Tochter). Meistens sind die Freiwilligen hier ja eher nur wenige Jahre älter als sie und werden eher „Akkā" (große Schwester) genannt. Es war zuerst ein komisches Gefühl, wollte ich doch nie Kinder haben. Aber dann hat es mich irgendwie auch mit Stolz erfüllt, dass sie mich so nennen. Wohlwissentlich, dass einige eine Mutter haben, die sich eben nicht um sie kümmert und es am Ende ja das ist, was ihnen fehlt. Das rufte dann schon das Verantwortungsgefühl in mir auf, enttäuschen möchte ich keines der Mädchen. Bisher war ich immer vor allem Tante und eine Ergänzung zu der großartigen Mutter, die mein Neffe und meine Nichte haben. Das war quasi ein Bonus für die beiden. Zugegeben, ich habe kaum einen Moment im Leben beider verpasst und bin natürlich die weltbeste Tante überhaupt …… ja, ich höre jetzt schon die Aufschreie aller Tanten, weil jede das auch von sich behauptet. Aber macht nix, bin ich wirklich. *lach*

Vor allem habe ich die häufigen Umarmungen und Zuneigungsbekundungen genossen. Gerade auch die älteren Mädchen sind häufig gekommen und haben wohl die Chance genutzt, eher die mütterliche Nähe als die Schwesterliche zu bekommen. 

Abendliche Zeit in der Bibliothek.
Schwimmzeit. Ich bin voll dabei!

Ich habe gerne die Zeit mit den Kindern verbracht und wie den meisten Kindern, ging es mir ebenfalls so, dass der Schwimmunterricht meine allerliebste Zeit war. Habe ich mir doch meinen Neffen und meine Nichte schon als Babys geschnappt und war regelmäßig mit ihnen im Schwimmbad.

Mädchen, die sich plötzlich trauen, ohne Schwimmhilfe auf die tiefere Seite zu schwimmen, irgendwann sogar ganz auf unsere Unterstützung verzichten können und dann stolz wie Bolle sind.

Es ist schön, auch in so kurzer Zeit bereits Entwicklungen zu sehen. Natürlich auch in anderen Bereichen. Ob im Englisch lernen oder auf der Slackline oder bei den sportlichen Aktivitäten. 

Die Zeiten in der Bibliothek habe ich ebenfalls sehr gerne. Wo selbst die lautesten Kinder plötzlich still werden, sich ein Buch oder die Fotoalben der Freiwilligen schnappen und darin blättern oder auf deinen Schoß krabbeln, sich an dich kuscheln und still lauschen, wenn wir vorlesen.

Es ist schön die verschiedenen Charaktere und Eigenarten der Mädchen über die Zeit kennenzulernen. Jede ist so wunderbar in ihrer Einzigartigkeit.

Was tut man nicht alles für einen Schnappschuss...
Kokosnüsse sind für so vieles nützlich.

Spaß hatten wir auch beim Bemalen der Kokosnüsse für eine Girlande aus Lianen, um das Heim ein wenig zu dekorieren und die wir mit Leiter bewaffnet, lachend unterm heißen Vordach angebracht haben.

Oder bei den vielen Foto- oder Videoprojekten, die Johanna und ich gemeinsam mit den Mädchen gemacht haben. Da werden Haare nochmal gerichtet, auf dem Boden rumgekrabbelt und auch mal Grimassen gezogen oder der Kasper hinter dem Fotografen gemacht, alles für den besten Schnappschuss. Und was haben wir unzählige Male bei der Umsetzung gelacht. Die Mädchen haben immer mit Freude mitgemacht und schnell hatte man eine ganze Schar um sich. Und alle hatten einen Heidenspaß. 

Man darf dabei nie vergessen: manche haben es schon faustdick hinter den Ohren. Da werden Badekappen in Rohre gestopft und man fragt sich „Warum denn nur?".

Da wird in Bäume geklettert, um Mangos und andere Früchte aus den Bäumen zu mopsen, obwohl sie ganz genau wissen, dass sie das nicht dürfen. Aber schlau sind sie dabei, das Personal wird dann einfach mit dem Diebesgut bestochen.

Und man ist auch mal genervt, weil die Tagträumer zum x-ten Mal vergessen haben, die Hühner mit Wasser zu versorgen, weil die Wassertröge zum Trocknen (…findet den Fehler…) draußen aufgehängt werden. Oder wieder einmal die Tür zum Hühnerstall offen steht und erneut alle Hühner eingefangen werden müssen.

Und wie oft ich ermahne, dass sie die teuren Gartenbesen nicht als Stütze für die Slackline benutzen dürfen? Ich habe aufgehört zu zählen.


Monsterspinnen in Bad und Küche

Eher unfreiwillig habe ich mich noch in der Identifizierung und Bekämpfung von Kopfläusen weitergebildet. Nach dem anfänglichen (westlichen) Ekel, dass da jetzt Viecher auf meinem Kopf wohnen, war ich schnell eifrig dabei, im Internet zu recherchieren und mir vom Personal erklären zu lassen, wie sie aussehen, wo sie zu finden sind und wie man die kleinen, robusten Plagegeister um die Ecke bringt. Inzwischen eine tägliche Routine, freut man sich nun regelrecht, wenn man wieder eine zu fassen bekommen hat und ihr den Garaus machen kann. Von so etwas darf man sich nicht abschrecken lassen. 

Außerdem bin ich irgendwie plötzlich zur Kammerjägerin geworden, musste ich meine quietschende Mitbewohnerin doch so manches Mal vor Monsterspinnen, wildgewordenen Fröschen und giftigen Hundertfüßern retten. Und ich frage mich, wer den Job jetzt übernimmt, wenn ich weg bin. Da muss Frank wohl zukünftig als Retter fungieren. Oder er schickt Dissa. 

Strandzeiten sind auch immer beliebt.
Immer Flausen im Kopf.

Ach ja, meine Mitbewohnerin: Johanna! Dieses sensible, reife, immer positive Mädchen, das so emotionale Beiträge schreiben kann… ihr habt sie vermutlich auch alle gelesen… und mich damit so manches Mal zu Tränen gerührt hat. Und ich weine wirklich selten, da bin ich hier nun also quasi zur Heulboje mutiert.

Ich bin froh und dankbar, dass wir hier zusammen eine coole (ja, ein Wort meiner Generation) Zeit verbringen konnten. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und viel gelacht (sehr zum Leidwesen von Frank). Auch über die vielen Dinge, Worte und Redewendungen, die sie bzw. ihre Generation wohl nicht mehr kennt. Vice versa hat sie sich über mich totgelacht, wenn ich mal wieder den bei den jungen Leuten angesagten Kram nicht kenne. Da muss ich wohl noch mal bei meinem Neffen und meiner Nichte in die Schule gehen.

Es hat einfach viel Spaß gemacht und zum nächsten Fahrradrennen treffen wir uns bestimmt. Oder wir kommen wieder zu Besuch ins Angels Home, und ziehen Frank bei einer Runde Wizard ab. 

Jetzt habe ich die Nägel schön. Danke, Bodika.
Quality time mit den Mädchen.

Alles in allem war es einfach eine schöne Zeit mit den Angels (wovon manche manchmal auch kleine Teufelchen sind) und natürlich allen anderen, in der ich auch viel über mich selbst gelernt habe.

In jedem Fall werde ich meine Zeit hier niemals vergessen und vor allem keines, absolut keines der Mädchen. Auch wenn ich gestehen muss, dass mir manche Kinder doch mehr ans Herz gewachsen sind und ich manche am liebsten mit nach Hause nehmen würde. Ich werde ihre täglichen, herzlichen Umarmungen vermissen und ihr strahlendes Lachen, wenn sie mich sehen und auf mich zugelaufen kommen. Und auch, sie zu trösten, wenn sie traurig sind. Sie in den Schlaf zu wiegen, wenn sie krank sind. Ihnen Geschichten vorm Schlafengehen vorzulesen.

Auch werde ich vermissen, wie so einige Mädchen immer wieder rufen „Tina, Game" oder „Tina, Barbie" oder „Tina, Carrom" oder „Tina, Puzzle". Ich scheine über die Wochen hier Zweitnamen bekommen zu haben und wurde ungefragt zur Spielebeauftragten ernannt. *Lach* 

Ich werde Bodika vermissen, die mir sehr eigenwillig die Nägel lackiert hat und sich auf ihre eigene Art mit uns verständigt und verlässlich wie ein Uhrwerk jeden Abend nochmal durchs Fenster winkt und „Good night, Tina" „Good night, Johanna" ruft. Wenn andere flügge werden (sicher wieder ein Wort, was Johanna nicht kennt), wird sie sicher immer noch hier sein, wenn ich wieder zu Besuch komme.

Vermutlich werde ich die ersten Tage zu Hause zwischendurch mal kurz innehalten und horchen, ob da nicht doch jemand meinen Namen gerufen hat. Leise wird es plötzlich sein bei mir zu Hause, alleine in meinem Garten, in dem es so ruhig ist, dass vor über einem Jahr Rehe in diesen eingezogen sind.

Seitdem die Kinder wissen, dass ich gehe, werden viele noch anhänglicher und bitten mich zu bleiben. „Don't go Germany!" oder „Why go Germany?" höre ich da genauso wie „Yanna epā!". Was „Geh nicht!" auf Singhalesisch heißt. Und es kullern auch schon ein paar Tränchen.

Sogar eine Shanika, bei der man nie weiß, ob sie einen im nächsten Moment umarmt oder wegstößt, setzt sich auf meinen Schoß, kuschelt sich an und insistiert, dass ich nicht gehen soll.

Ich verspreche, dass ich wiederkomme und sie alle besuche, wenn ich wieder in Sri Lanka bin. Und ich halte meine Versprechen. Die größeren Mädchen sagen, dass sie dann nicht mehr da sind, wenn ich komme, weil sie dann ihre O-Level abgeschlossen haben werden. Ich nehme ihnen das Versprechen ab, dass sie sich bemühen und versuchen, auch das A-Level zu schaffen und wenn sie weiter zur Schule gehen, können sie hier bleiben und dann sehen wir uns bei meinem nächsten (baldigen) Besuch.

Es zerreißt mir das Herz und ich muss mich selbst zusammenreißen. Es gibt mir einen Ausblick auf meinen Abreisetag, an dem ich vermutlich flennen (das Wort kennt Johanna bestimmt wieder nicht) werde. Und damit habe ich dann hier wohl mehr geweint, vor allem vor Rührung, als in den vergangenen letzten Jahren überhaupt.

Was Frank und Julia hier gemeinsam aufgebaut haben verdient den größten Respekt. Es ist wirklich ein Ort, für den die Mädchen sich glücklich schätzen dürfen, dass sie hier aufwachsen dürfen und ihnen alle Chancen gegeben werden.

Man würde sich wünschen, die Kinder würden jetzt schon sehen, wie gut sie es haben. Und manchmal ist es sicher zermürbend und man denkt wofür? Aber ich bin mir sicher, dass das viele der Mädchen später auch erkennen, wenn sie aus dem bockigen Kleinkindalter und der störrischen Teenagerzeit raus sind. Manches erkennt man eben erst, wenn man mit den Augen eines Erwachsenen drauf zurückblickt. Aber nicht immer gibt man es den Eltern gegenüber dann zu ;-).

So hatte ich das Vergnügen, Sodi kennenzulernen, eine bemerkenswerte junge Dame und ein absolutes Positivbeispiel dafür, dass Mädchen in diesem Kinderheim eine wirkliche Chance haben, wenn sie diese für sich nutzen. Sie und Frank haben mit uns alte Geschichten aus ihrer Zeit im Heim geteilt und es ist schön zu sehen, mit welchem Vaterstolz Frank auf Sodi blickt und mit welchem Eifer er dann erzählt.

Natürlich auch nicht Hiruni zu vergessen, die zunächst eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht hat und nun hier eine junge, aber angesehene und engagierte Matron ist, die die Kinder achten und auf die sie hören. Mit ihren Torten wird sie sicher bald auch sehr erfolgreich sein.

All das, ist auch dem Bestreben von Frank und Julia zu verdanken, sie sind das Fundamant des Projektes. Nicht zu vergessen natürlich alle Pateneltern, Projektpaten und alle anderen Sponsoren, die dieses möglich machen und die stabilen Säulen hierfür sind. Also all ihr, die diesen Eintrag vermutlich lesen werdet.

Und selbst wenn es nur 1 einziges Mädchen wäre, dessen Leben hier durch den Einfluss des Projektes eine andere Wendung nimmt, ist es das nicht immer wert? Ich sage ja! Denn, um es mit Mark Twains Worten zu sagen: Es ist nie falsch, das Richtige zu tun!

Abschiedsgrüße, Tina 

40
Eine Geschichte des Erfolgs
Lasst die Spiele beginnen!

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