Mittendrin statt nur dabei.

Über unseren Blog „Mitten im Geschehen“ könnt ihr täglich aktuelle Neuigkeiten aus unserem Kinderheim Angels Home for Children in Sri Lanka erfahren. Sowohl die Projektleiter Frank und Julia als auch die Freiwilligen berichten hier über ihre Arbeit mit den Mädchen, witzige Begebenheiten aus dem Alltag oder auch über Besonderheiten aus einem Leben in Sri Lanka. Mit unseren Blogeinträgen möchten wir euch kontinuierlich auf dem Laufenden halten und teilhaben lassen, was wir dank eurer Hilfe mit dem Dry Lands Project e.V. für die Kinder hier erreichen. Viel Spaß beim Lesen!
Empfohlen

Die wilde Fahrt von Colombo nach Kandy

Abendstimmung am Kandy Viewpoint Abendstimmung am Kandy Viewpoint
Colombo, von hier starten wir. Der Lotus Tower ist in Sichtweite.

Wir wollen von Colombo nach Kandy mit dem günstigsten Transportmittel, dem unklimatisierten "Government-Bus". Dass es eine wirklich wilde Fahrt wird, ahne ich noch nicht.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich hier wie die Einheimischen reise und über bunte Busse mit lauter Musik wundere ich mich schon längst nicht mehr. Und doch schüttle ich immer noch den Kopf, allerdings viel mehr über die Fahrt an sich.

Zuletzt also mal wieder auf unserer Fahrt nach Kandy. Dass wir dort überhaupt heil angekommen sind, halte ich im Nachhinein für ein kleines Wunder und komme zu der Erkenntnis: Ein wenig Mut gehört manchmal schon dazu, in diese Busse zu steigen. Man springt auch einfach mal todesmutig während der Fahrt auf, völlig normal hier.

Es ist eben nicht vergleichbar mit unseren deutschen Öffis. Da beschwere sich dort nochmal jemand über Schienenersatzverkehr, denjenigen schicke ich das nächste Mal postwendend nach Sri Lanka. Es sei dazu gesagt, dass ich über 15 Jahre nach Hamburg gependelt bin und in der Zeit auch schon so einiges erlebt habe. Berufspendler können da wohl ein Lied von singen. ABER kein Vergleich zu einer Busfahrt in Sri Lanka. Es gibt Erfahrungen, die man in Sri Lanka einfach mal gemacht haben sollte, um das Land wirklich kennenzulernen. Diese gehört auf jeden Fall dazu.

Wir haben einen Sitzplatz ergattert, sogar nebeneinander und lächeln uns an. Später bedanke ich mich immer wieder innerlich beim Universum dafür.... also für den Sitzplatz.

Mein Freund sagt, ich solle durchrutschen. Ha, vergiss es! Ich sitze doch nicht eingepfercht am Fenster in der prallen Sonne. Ich freue mich also, dass ich am Gang sitze… noch. Tja, was soll ich sagen, später erahne ich, dass mein Freund es möglicherweise mal wieder nur gut mit mir meinte, fluche innerlich über meine Sturheit und wünsche mir seinen Platz. Das sage ich ihm selbstverständlich nicht!


Noch ist es vergleichsweise leer. Später kann ich nicht mal mehr mein Handy hochheben für ein Foto.

Es ist Berufsverkehr, der Bus füllt sich so langsam und der Kontrolleur (ja, hier kauft mein sein Ticket quasi während der Fahrt) ruft in einem norddeutschen Akzent „weider, weider"… zumindest verstehe ich das und fühle mich für einen Moment wie zu Hause. Natürlich spricht er Singhalesisch und meint bestimmt etwas ganz anderes, aber die Leute rücken tatsächlich einfach immer weiter auf und unzählige Male bekomme ich dabei Taschen und Rucksäcke ins Gesicht. Ich bestaune allerdings, mit welcher Selbstverständlichkeit die Sri Lanker einander diese abnehmen und für den anderen sicher oben in den Gepäckfächern verstauen. Wenn diese voll sind, nimmt auch einfach mal einer der Sitzenden eine volle Einkaufstüte eines anderen auf seinen Schoß, ohne Murren. Gelegentlich steigt natürlich auch mal jemand aus und interessant ist es, zu beobachten, wie die Taschen beim Ausstieg wieder rübergereicht werden, ohne dass jemand drum bitten muss und ich frage mich, ob am Ende jeder mit der richtigen Tasche ausgestiegen ist. Ich versuche unsere Gepäckstücke im Frontteil zu erspähen, aber es ist aussichtslos und ich muss einfach hoffen, dass sie nachher noch da sind. Es rutscht alles immer weiter nach hinten auf und enger zusammen, um jedem die Mitfahrt zu ermöglichen. Das funktioniert nun alles scheinbar ohne Worte. Undenkbar, wo ich herkomme. Da gilt in solchen Fällen das Ellbogenprinzip und niemand, absolut niemand gibt seinen erkämpften Platz mit Haltemöglichkeit auf, um jemand anderen vorbeizulassen. Im Zweifelsfall ist es den Passagieren auch wichtiger, dass ihre Tasche einen Sitzplatz bekommt und die anderen Reisenden dürfen stehen. In den Hamburger Zügen und Bussen geht es da definitiv rücksichtsloser zu.

Nicht so hier, Menschen schieben sich zum Ausgang und es wird mit einer Selbstverständlichkeit Platz gemacht und auch mal ein Arm oder eine Hand gereicht oder eine Tasche abgenommen. Nun ja, und da wünscht man sich dann den Fensterplatz, denn es lässt sich dabei auch nicht vermeiden, dass ich mal den Bauch eines dickeren Herren oder einen Ellenbogen im Gesicht habe oder mit den Achseln der Mitreisenden auf Tuchfühlung gehe. Es scheint, die Leute spielen hier Twister, alleine an meinem Vordersitz versuchen sich 4 Leute gleichzeitig festzuhalten und irgendein Körperteil erwischt einen irgendwie immer. Memo an mich selbst: Der Fensterplatz ist die bessere Wahl!

Nun sind wir langsam aus Colombo raus, der Bus ist rappelvoll und teilweise steht man auf den Stufen der Eingangstüren. Die letzten Passagiere sind eingesammelt und nun gibt der Busfahrer Gas. Also, so richtig! Und ich frage mich, wie hier eigentlich die Geschwindigkeitsbegrenzungen sind, ich habe noch nie darauf geachtet. Gibt es überhaupt welche? Und wenn ja, kennt sie jemand oder gibt es hier Schilder? Aber wie ich Sri Lanka inzwischen kennengelernt habe, interessiert es einfach niemanden.

Der Fahrer hat's nun offensichtlich eilig, er fährt, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her. Nun kommen die Momente, in denen ich froh bin, dass wir einen Sitzplatz ergattert haben. Denn wir fahren nicht mit den teureren, klimatisierten Highway Bussen, sondern mit einem ruckeligen, alten Bus die unbequeme Strecke über Land, durch Dörfer und Städte und durch die Berge. Wer nicht freiwillig weicht, wird lautstark weggehupt oder überholt und dabei hart geschnitten. Und das bei einer Geschwindigkeit von bestimmt 70-80 km/h…. quasi innerorts! Mit einem Bus! Ein Fahrradfahrer kann gerade so noch weichen und querende Passanten springen zur Seite. Ich glaube langsam, der Fahrer spielt nach Feierabend zu viel „Need for Speed".

Ich schaue besser einfach nicht mehr hin, so wie meine anderen Mitreisenden. Einer starrt mich seit bestimmt einer Stunde permanent an, vermutlich, weil ich die einzige Weiße hier bin. Ich starre amüsiert für eine ganze Weile zurück und am Ende gewinne ich den Starring-Contest, das ist immer so.

Bei alldem nehme ich aber auch den frischen Wind wahr, der mir um die Nase bläst und gleichzeitig verschiedenste Gerüche hereinträgt. Und die Musik, die auch irgendwie gute Stimmung verbreitet. Und alle Passagiere bewegen sich einfach mit bei der wilden Fahrt. Äußerst lustig anzusehen, man ist es wohl gewohnt. Und ich grinse innerlich, weil Freundinnen von mir behaupten würden, dass mein Fahrstil keineswegs besser ist. Ein Freund hat auch schon mal Gesicht und Hände an meine Beifahrerscheibe gedrückt und laut geschrien: „Ich werde sterben!" Natürlich meinte er das nicht ernst… oder? Bei dem Gedanken muss ich lachen, halte mich fest und gehe einfach auch mit dem Rhythmus des Busfahrers mit. Die halten die Weiße bestimmt für bekloppt. Macht nichts, ich habe irgendwie Spaß!

Ein wenig schlecht wird mir aber schon, ob von der Fahrt oder den Gerüchen, weiß ich nicht genau. Die Fahrt dauert normalerweise 3,5 – 4,5 Stunden. Wobei ich fest daran glaube, dass der Fahrer dieses Mal einem Rekord hinterherjagt und es unter 3 Stunden schaffen will. Der Bus kämpft sich nun die Berge hoch und die Brise, die hereinweht, wird spürbar frischer. Jetzt weiß man, Kandy ist nicht mehr weit. Bergab geht's dann wieder mit Vollgas.

Immerhin werden wir mit einem Sonnenuntergang über den Bergen belohnt.

Ein Sonnenuntergang über den Bergen als Belohnung.

Als wir in Kandy auf der Colombo-Kandy-Road sind und an einer Tankstelle vorbeikommen, an der ein Tanklastwagen steht, verlangsamt der Fahrer die Fahrt und ruft aus dem Fenster raus. Er fragt anscheinend, ob es sich um Benzin oder Diesel handelt, wie mir erklärt wird. An seiner darauffolgenden Reaktion erkennen wir, dass es Diesel ist, denn nun beschleunigt er rasant und wer die Fahrt nicht vorher schon wild empfand, wird sich spätestens jetzt festklammern. Links, rechts, links, rechts an allen vorbei zur Haltestelle. Hier werden wir alle eiligst rausgeschmissen und können froh sein, alle Gliedmaßen und Gepäckstücke bei uns zu haben. Und dann wendet der Fahrer mit quietschenden Reifen den Bus, um sich zur Tankstelle aufzumachen. Wenn Benzin oder Diesel gerade verfügbar ist, muss es hier eben schnell gehen.

Rasante Grüße, Tina 

Der künstlich angelegte See in Kandy.
27
Wir sind die Zukunft Sri Lankas
Wie wir von klein auf lernen unehrlich zu sein
 

Tauche ein in die Welt des Geschehens! Unser Newsletter hält dich stets auf dem Laufenden. Jetzt abonnieren.