Mittendrin statt nur dabei.

Über unseren Blog „Mitten im Geschehen“ könnt ihr täglich aktuelle Neuigkeiten aus unserem Kinderheim Angels Home for Children in Sri Lanka erfahren. Sowohl die Projektleiter Frank und Julia als auch die Freiwilligen berichten hier über ihre Arbeit mit den Mädchen, witzige Begebenheiten aus dem Alltag oder auch über Besonderheiten aus einem Leben in Sri Lanka. Mit unseren Blogeinträgen möchten wir euch kontinuierlich auf dem Laufenden halten und teilhaben lassen, was wir dank eurer Hilfe mit dem Dry Lands Project e.V. für die Kinder hier erreichen. Viel Spaß beim Lesen!

Wir sind die Zukunft Sri Lankas

Nimsara haelt einen Text hoch, fuer den internationalen Frauentag Girls can.

Den heutigen Blogeintrag widme ich dem Internationalen Frauentag, welcher jedes Jahr am 08. März gefeiert wird. Dieses Jahr steht das Thema Frauen als Fachkräfte im Mittelpunkt und soll sich, wie der Name bereits verrät, für mehr weibliche Vertreterinnen in Führungspositionen aussprechen. 

Das Angels Home leistet da einen guten Beitrag in Sri Lanka. Wir beschäftigen abgesehen von unserem Fahrer Dissa und unserem Manager Kosola, nur Frauen. Alle Köche, die Gärtnerin, Putzkräfte, die Psychologin und Kindermädchen sind ausschließlich weiblich. Auch die höheren Positionen, wie etwa die Head-matron (das oberste Kindermädchen) oder unsere Sekretärin, sind von weiblichen Kräften vertreten.

Abgesehen davon haben wir bei vielen Mädchen im Heim die Hoffnung, dass sie in Zukunft selbst in guten Positionen arbeiten werden. Wenn ich besonders helle Köpfe im Heim Frage, was sie später einmal werden wollen, bekomme ich antworten wie Doktor, Physiker oder Lehrer.

Zwar machen wir, das Angels Home, bereits einen Schritt in die richtige Richtung, das lässt sich aber nicht für die Welt außerhalb unserer wohlbehüteten vier Wände verallgemeinern. Man darf schließlich nicht vergessen, dass das Angels Home unter deutscher Führung und somit eher nach westlicheren Standards läuft. In Asien, besonders in Sri Lanka, läuft vieles aber anders. Wie kann man das Problem also am Kern packen? Daher kommt folgende Frage auf: Wie ist die Emanzipation der Frau in einem Land realisierbar, in dem Frauen oftmals die Rolle der Putzfrau zugeschrieben bekommen? 

Die Antwort ist Bildung und Chancengleichheit. Das ist die Einzige Möglichkeit, dieser Hoffnung Realität zu verschaffen. 

Die Mädchen im AngelsHome bekommen diese Option. Eine nachhaltige Veränderung in diesem fehlerhaftem System wird angestrebt. Den Mädchen wird hier die gleiche Chance auf Bildung gegeben, die die Jungs bereits haben. Geschlechterspezifische Ungleichheiten sollen dabei beseitigt werden. Das lückenhafte Schulsystem hierzulande bessern wir mit privaten Nachhilfestunden auf. Aufklärung und emotionale Unterstützung, gewährt die Psychologin. Einflüsse außerhalb der eigenen Kultur bekommen die Kinder durch Frank oder durch uns, die Freiwilligen.

In einer Welt, die mehr verbunden ist als je zuvor und Prozesse auf internationaler Ebene ablaufen, ist die Fähigkeit zur Kommunikation dabei entscheidend. Das macht Englisch sprechen unverzichtbar. 

Deswegen möchte ich euch heute auf eine Reise nehmen, inspiriert von einem 6-jährigen Mädchen, die scheint eben dies verstanden zu haben. Ein pfiffiges Mädchen, dessen Freude groß ist, Englisch zu lernen. Ein Mädchen, das mit einer Leichtigkeit neue Vokabeln aufnimmt und selbst anwendet. Eines, das Abends lieber spielerisch Englisch lernt, statt schlafen zu gehen. Ein kleines Mädchen mit einem Willen: Gefördert werden.

Wenn ein Vogel anfängt zu zwitschern & nicht reden keine Option ist

Bild von Anuradha

Sewmini ist jetzt seit ca. 3 Monaten bei uns im AngelsHome. Sie kam ca. einen Monat vor mir hier an, für die 6-Jährige ist also dementsprechend alles ähnlich neu wie für mich. Sie hat früh entschieden, dass sie mich mag und klammerte sich dementsprechend viel an mich. Besonders gerne wird das zierliche Mädchen von mir auf dem Arm herumgetragen. Sie lehnt sich dann wie ein kleiner Affe runter und schaut sich Arme-baumelnd an, wie die Welt kopfüber aussieht. „My little monkey", nenne ich sie dabei liebevoll. Erst war ich mir nicht sicher, ob Sewmini ihren Spitznamen versteht, da sie zu Beginn kaum Englischkenntnisse hat. Wenn ich sie jetzt so nenne, imitiert sie mit ihren Händen und ihrem Gesichtsausdruck einen Affen. Glaubt mir, es gibt kaum etwas Süßeres, als sich das anzuschauen. 

Am Anfang redet sie immer auf Singhalesisch mit mir. Ich verstand nur Bahnhof. Gut, was anderes blieb ihr nicht übrig, schließlich kam sie ohne Englischkenntnisse zu uns. Da sie immer sehr redebegeistert ist, drehe ich den Spieß um und antworte ihr ausführlich. Aber eben auf Englisch. Das findet sie super und spricht mir wie ein zahmer Vogel nach. Einer, der bereit ist, seine Flügel aufzuschlagen und seine ersten Lieder zu singen. Mittlerweile kann man Small-Talk mit ihr führen und sie beispielsweise fragen, wie es ihr geht. Auch einige andere Begriffe, wie etwa „swimming" oder „craftroom", schnappt das pfiffige Mädchen schnell von den Anderen auf. Begriffe, die ihr nützlich scheinen, hat sie auf dem Kasten.

So wie auch in der folgenden Situation: Es geht um ein Wort, das im grundlegenden Wortschatzes dieses Kindes noch fehlte. Gut, dass wir das schnell nachholen und aufbessern konnten:

Vor zwei Tagen sieht die Kleine die Süßigkeiten, die wir in unserem Raum stehen haben. Mit dem Finger drauf zeigend, versucht sie uns zu vermitteln, dass sie diese gerne haben will. Ich sage ihr: „These are sweets, can you say sweets?", "sweeeeeeets", wiederholt sie eifrig. Ich muss lachen. Am nächsten Tag frage ich sie: "Sewmini, you remember the word I told you yesterday?", „sweeeets", sagt sie daraufhin mit einem breiten Grinsen.

Ich bin begeistert. Begeistert von dem Fakt, dass ich ihr die neue Vokabel ein einziges Mal gesagt habe und sie diese aufgenommen und gespeichert hat. Da liegt Potenzial. Das auch deswegen, weil ihr Wille, mit uns zu reden, riesig ist und sie sich flott unbekannte Begriffe merkt. Ein helles Köpfchen. Diese super Voraussetzungen sollten unbedingt gefördert werden.

Wo ein Wille liegt, liegt ein Weg

Daydreaming Dinithi

Es ist 8:00 Uhr. 

Gerade aufgegessen, wir gehen Richtung Waschbereich. Da gucken wir zu, wie sich die Kinder ihre Zähne putzen. Anschließend machen wir einen kleinen Abstecher in den Sick Room, in dem ein Angel gerade liegt. Nach kurzer Zeit kommt Sewmini small rein und gesellt sich zu uns. Sie umarmt mich. Erwartungsvoll blickt sie zu mir hoch, darauf wartend, dass ich meine Aufmerksamkeit auf sie richte. „Finished brushing your teeth?", frage ich die Kleine, während ich mit meiner einen Hand imitierend die Bewegung beim Zähneputzen nachahme. Sie nickt und präsentiert mir ihr breites Grinsen, wo einige Milchzähne fehlen. Dann fangen wir an, etwas herumzualbern. Sewmini schließt meine beiden Hände in ihre und hüpft auf und ab. „Jumping", sage ich dabei. Wie ein Papagei wiederholt sie das Wort. Nebenbei fängt sie an, mir etwas zu erzählen.  Wir führen ein Gespräch, naja, ehrlich gesagt versuche ich eher zu erraten, was der kleine Wirbelwind gerade versucht mir zu vermitteln. Dabei lasse ich immer mal wieder einige neue englische Vokabeln einfließen, die sie fleißig wiederholt. 

Sie streckt ihre kleine Hand nach meiner aus und zieht mich zu eins der Betten. „Come!", ruft sie dabei auffordernd. In ihrem Blick erkenne ich, dass sie jetzt Blut geleckt hat. Sie möchte mehr lernen, mehr wissen, gefordert werden. Das wird mir gerade deutlich. Unsere improvisierte Englischstunde nimmt nebeneinandersitzend also weiter ihren Lauf. Sewmini streckt ihre Finger aus und versucht auf Englisch von 1-10 zu zählen. Ich sage ihr die Zahlenfolge einmal auf, zwei wachsame Augen schauen mich dabei gebannt an. Anschließend wiederholt sie gerade Gesagtes immer und immer wieder, bis ihre erst wackelnde und unsichere Stimme nun selbstbewusst von eins bis zehn zählt. 

Da es bereits 9 Uhr ist, heißt es Schlafenszeit. Also laufen wir Hand in Hand Richtung Schlafsaal, die vorbeigehenden Kindermädchen ruft sie und sagt stolz gerade gelerntes auf. Auch ich bin stolz. Ich wusste, dass es Kindern generell leichter fällt, Fremdsprachen zu lernen, da sie eher unterbewusst und spielerisch lernen. Das ganze mit eigenen Augen mitzuerleben, bei Sewmini, fasziniert mich. 

Und nicht zum ersten Mal wundere ich mich

strong duo Sachini & Achini

Eine Sache lässt meine Gedanken nicht los. Egal wie ich es drehe und wende, Verwunderung ist das Einzige, das bleibt.

Aus einem der letzten Gespräche mit einem Kindermädchen über Sewmini, konnte ich heraushören, dass ihre Lehrer unzufrieden mit ihrem Lernerfolg sind. Ihrer Meinung nach nimmt sie nicht genug aus dem Unterricht auf. Das wundert mich sehr. Ihre Initiative, abends den Kontakt zu mir zu suchen, um Englisch zu lernen, deutet auf das Gegenteil hin. Offensichtlich ist sie bereit zu lernen und hat Spaß daran. Sewmini sieht ihre schnellen Lernerfolge ja selbst, was sie wiederum motiviert. Woran also liegt es also, dass die Lehrer das so differenziert wahrnehmen?

Zwar fällt mir Sewminis Potenzial mit am meisten auf, aber auch englische Spitzenreiter Achini, Theyaga, Maheshika oder Vidukshini haben ähnliches Potenzial. Und fördern wollen wir schließlich alle.

Wir überlegen uns also einen Weg, allen die Möglichkeit zu geben für Englischunterricht. Bei 60 Mädchen da erstmal durchzublicken, ist gar nicht so leicht. Schließlich erstellen wir einen Test, der alle Units umfasst. Je nachdem, wie weit die Mädchen den Test ausfüllen, können wir einschätzen, wie hoch das Niveau der einzelnen Kinder ist. Einige Tage später werten wir die Tests aus. Die Ergebnisse sind erschreckend. Die wenigsten kamen über Unit 3 hinaus, viele hatten beim Schreiben von einfachen Wörtern und Sätzen schon Probleme. Wenn man immer nur mit den Angels redet, fällt diese Schreiblücke nicht auf. Die, mit denen ich sonst viel rede, haben plötzlich Probleme, ihren Namen in einem vollständigen Satz zu schreiben. Das mündliche Können weicht von dem Schriftlichen saustark ab. Was auch hervorsticht, sind die großen Sprünge zwischen einzelnen Mädchen gleichen Alters. Da fragt man sich fast, ob die Kinder wirklich Englisch in der Schule unterrichtet bekommen?! Statt jeden Monat unzählige Sportfeste zu organisieren und den Schulgängern nach Lust und Laune für mehrere Wochen Ferien zu geben, sollte der Fokus wo anders liegen. So ist es keine Seltenheit, dass Kinder in sehr regelmäßigen Abständen kommen und mir stolz ihre Medaillen präsentieren, die sie beim letzten Sportfest gewonnen haben. Würde der gleiche Fokus auf Englisch liegen, könnten die Fremdsprache mittlerweile alle Schulgänger fließend.  Ähnlich vermutlich bei den restlichen Fächern.

Fazit: Das Schulsystem in Sri Lanka ist lückenhaft. 

Daher ist es für uns auch unverzichtbar, private Nachhilfestunden zu geben in etwa Mathe oder der Landessprache. Gleiches gilt für Englisch, wo wir, die Freiwilligen, unseren Handlungsbedarf sehen.

Auch Sewminis Ergebnisse des Testes waren wie bereits zu erwarten ernüchternd. Auf Englisch kann sie weder schreiben noch lesen. Das Einzige, was sie dementsprechend auf den zweiseitigen Test schreibt, ist ihr Name. 

Zwar haben wir jetzt alle Kinder ihren Units entsprechend einordnen können, der eigentliche Englischunterricht startet allerdings erst Montag. Die Betonung liegt auf eigentlich. Sewmini nutzt jetzt schon jede Gelegenheit, um Englisch zu lernen. Zwischen Tür und Angel lernt sie den Begriff „Süßigkeiten". Vor dem Schlafengehen wiederholen wir die Zahlenfolge 1-10. Wenn immer sich ein Moment anbietet, gehen wir neue Vokabeln durch. Sie hat einen Heiden Spaß daran, Englisch zu lernen. Motiviert an ihrem eigenen rapiden Lernfortschritt und dem Fakt, mit uns reden zu wollen.

Ein junges Mädchen, das für ihr Alter schon ganz genau weiß, was sie möchte. Ein Mädchen, das Teil der Zukunft Sri Lankas ist.

Die Zukunft ist grün und blau und heißt Angels Home

young spirit

Auf zielstrebige Mädchen wie Sewmini, die trotz ihres jungen Alters genaue Vorstellungen hat.

Auf witzige Zwillinge wie Sachini und Achini, die zusammen ein unschlagbares Duo formen.

Auf zurückhaltende Kinder wie Dinithi, die mit ihrem Fleiß und Durchhaltevermögen überzeugen.

Auf selbstbewusste Frauen wie Kindermädchen Hiruni, die hier starke Frauen erzieht.

Auf die unersetzbare Julia, die mit Herzblut dieses Projekt am Leben hält. 

Und schlussendlich auf alle Frauen, Mütter, Schwestern, Tanten, Freundinnen und Bekannten. 

Feiert euch. Liebt euch. Bleibt selbstbewusst und stark.

Danke fürs lesen,

Johanna 

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Zwei Jugendliche, zwei Welten
Die wilde Fahrt von Colombo nach Kandy
 

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