The romance of sisterhood oder so ähnlich

Mit 5 und 3 haben wir uns ein Zimmer geteilt. Mit 9 und 7 lagen wir lachend die ganze Nacht nebeneinander. Mit 13 und 11 habe ich ihr das Inlinerfahren beigebracht und mit 17 und 15 mochten wir uns eigentlich gar nicht. Meine beste Freundin, eine Schwester. Aber was bedeutet das eigentlich?

Schwester sein. Diese Bezeichnung begleitet mich fast mein ganzes Leben schon. Dabei dachte ich, die Bedeutung dafür längst zu kennen und habe mich nicht weiter damit auseinandergesetzt. Bis jetzt. Denn die letzten 21 Tage ist mir der Begriff immer mal wieder begegnet, was mich zum Nachdenken anregte. Mit diesen kleinen Alltagsgeschichten möchte ich euch auf meine Reise mitnehmen und zeigen was dabei für mich rauskam. 

8:30Uhr

„Ich vermisse dich, ruf einfach mal an, wenn du kannst."

Gesagt getan. Ich wähle ihre Nummer und will sie anrufen. Mist - Zeitverschiebung. Die habe ich ganz vergessen. 8:30 Uhr bei mir bedeutet 4 Uhr morgens in Deutschland. Egal, das verschiebe ich dann auf heute Abend. Ich mache mir eine gedankliche Notiz: Jenny später anrufen. 

9:00Uhr

Ich laufe nach unten zum Büro.

Die kleine Sewmini guckt schüchtern hinter einer Ecke hervor. Als sie mich entdeckt werden ihre Augen ganz groß und sie rennt mit großen Schritten auf mich zu. Die 6-Jährige fällt mir in den Arm, ich umarme sie zurück. Seit dem ersten Tag ist mir schon aufgefallen, dass sie oft Nähe zu mir sucht. Morgens begrüßt sie mich überschwänglich und klammert sich an meine Hüfte. Beim Spielen sucht sie meine Aufmerksamkeit und Interesse. Auf dem Weg zum Volleyballfeld hält sie meine Hand. Beim Malen zeigt sie mir stolz ihre Bilder. Beim Fernsehen sitzt sie auf meinem Schoß und schläft ein. Da sie außer „How are you" und einige andere Wortfetzen nicht wirklich Englisch kann, findet oft wenig Gespräch zwischen uns statt. Manchmal versucht sie mir ganz aufgeregt etwas zu erzählen, singhalesisch kann ich leider bis jetzt nur noch nicht. Wenn ich sie dann fragend anschaue, nutzt sie Hände und Füße, um sich verständlich zu machen. Sie sucht den Austausch und eine Bezugsperson, denke ich mir oft. Auch wenn wir wenig reden können, verstehen wir uns trotzdem gut. Manchmal braucht es eben keine Worte. Ich bin für sie da, das weiß sie. Der Gedanke reicht doch schon.

„Goodmorning Akka!" werde ich von hinten fröhlich begrüßt.

„Good morning Theyaga! What means Akka? ", frage ich verwundert.

„It means big sister" wird mir daraufhin von ihr erklärt.

„You are akka.", wiederholt die 17-Jaehrige lächelnd. 

Vom Alter her entspricht sie ca. dem, meiner Schwester zuhause in Deutschland. Ich find sie ist witzig und verbringe daher gerne Zeit mit ihr, so wie ich es mit einer Freundin in Deutschland tuen würde. Dass ich irgendwo eine Vorbildfunktion für sie einnehme, dem bin ich aber trotzdem bewusst. Das habe ich besonders dann gemerkt, als ich sie beim Schwimmunterricht zu neuen Tricks animieren konnte, durch unterstützende Worte und einer helfenden Hand.

Ich will es genauer wissen und gucke mir die Definition des Begriffs: Schwester an. Laptop an, Google geöffnet: Was ist eine Schwester, Enter. Das sind die beiden Suchergebnisse:

1. Person weiblichen Geschlechts im Verwandtschaftsverhältnis zu einer anderen Person, die von denselben Eltern abstammt.

Ich denke an meine kleine Schwester Jenny. Richtig, das war auch das erste woran ich denken musste. Macht ja auch Sinn.

Folgende zweite Definition wird mir von Google angezeigt (siehe rechte Seite).  Ich nicke innerlich mit dem Kopf. Jetzt denke ich an unterschiedliche Personen. Ich denke an einige enge Freundinnen. Die kleine Sewmini kommt mir ebenfalls in den Kopf, mit der ich mich auch ohne großen Wortwechsel verbunden fühle. Sowie einige Andere aus dem Angels Home.

12:30Uhr

Ich sehe, wie Padmini gerade von ihrer Nachhilfestunde wiederkommt. Sie ist die älteste hier mit ihren 18-Jahren. Wir haben keinen großen Altersunterschied. Gerade mal eineinhalb Jahre.

Sie grinst breit als sie mich auch entdeckt. Meistens, wenn wir uns sehen, erzählt sie mir zuerst von ihrem Tag. Zurzeit lernt sie viel für ihre bald anstehenden Abschlussprüfungen. Daher steht bei ihr fast jeden Tag Nachhilfe an.

„Today I had math and science classes. From 8:30 to 12pm.", erzählt sie mir wie gewohnt. Wir unterhalten uns etwas über ihren Unterricht und besprechen, wann ich ihr das nächste Mal bei Englisch helfen kann. Im Verlauf des Gespräches frage ich sie, wer für sie eine Schwester ist:

„I have many sisters. One big sister at home, one smaller sister in another children's home and one smaller sister in Angels Home. Also, all the girls here are like sisters to me.", antwortet sie mir, nachdem sie kurz nachdenken musste.

Padmini ist nicht die einzige mit einer Schwester hier. Viele Mädchen hier haben Schwestern. Ein oder zwei. Aber ich würde sagen, kein Mädchen hier hat keine Schwester. Auch wenn sie hier, im Angels Home, keine Verwandten haben, so haben die Mädchen eben sich. Allein bist du hier nie.

16:00Uhr 

„Hey Barbie Girl", sagt Madushani während sie mich von der Seite umarmt und ihren Kopf an mich drückt. Ich drücke sie fest an mich und sage ihr dann: „You are the barbie girl.". Ihre kleine Schwester Dillini hüpft hinterher und tut es ihr gleich, sie umarmt mich von der anderen Seite. Ich muss schmunzeln. Bei vielen der Mädchen merkt man gar nicht, dass sie hier Schwestern haben, einfach weil sie weniger miteinander unternehmen. Aber bei den Beiden, wusste ich es von der ersten Sekunde. Dillini erinnert mich zu sehr an Jenny, die mir auch immer am liebsten alles nachgeahmt hat. „Johanna Morgana, Johanna Morgana", ruft Dillini begeistert. Diesen Spitznamen habe ich bekommen, da ihr Lieblingsfilm Merlin ist und ich angeblich aussehe wie Morgana, eine der Hauptrollen. Ob das daran liegt, dass ich weiß und braunhaarig bin, sei jetzt mal dahingestellt. Madushani und Dillini gibt es nur im Duo, kommt Madushani zu mir, so kann Dillini nie weit entfernt sein.

20:00Uhr

Gemütlich sitzen wir alle vor dem Fernsehen. Links von mir Sewmini im Arm, Hiruni hält rechts von mir meine Hand. Sewmini steht kurz auf, kommt mit einer Decke wieder und deckt uns drei, ohne etwas zu fragen mit dieser zu. Ich gucke in die Runde. Manche lehnen ihren Kopf an ihren Nachbarn an und starren verträumt und glücklich vor sich hin. Einige Kleine schlafen mit dem Kopf auf dem Schoss der Großen. Auch mir fallen langsam die Augen zu. „Good night lamayi!" rufe ich in die Runde. Ich verabschiede mich von allen und bekomme hier und da noch ein Küsschen auf die Wange. Nuwanthika kommt mir auf dem Weg nach oben entgegen. Auch sie wünscht mir eine Gute Nacht. „Good night Akka!", sagt sie freundlich. „Good night Namgi" antworte ich stolz grinsend. Das bedeutet nämlich so viel wie Gute Nacht kleine Schwester.

Oben angekommen schalte ich mein Handy an und drücke einige wenige Tasten. Ich warte kurz.

„Hi Jenny, ich habe dich auch vermisst!". Rufe ich, als sie meinen Anruf annimmt.