Mittendrin statt nur dabei.

Über unseren Blog „Mitten im Geschehen“ bleibt ihr täglich auf dem Laufenden über alles, was im Angels Home for Children in Sri Lanka passiert. Sowohl Frank und Julia, unsere Projektleiter, als auch die Freiwilligen teilen hier ihre Erfahrungen – von witzigen Alltagsmomenten bis hin zu besonderen Einblicken in das Leben in Sri Lanka. Mit unseren Beiträgen möchten wir euch regelmäßig zeigen, was wir dank eurer Unterstützung mit dem Dry Lands Project e.V. für die Kinder vor Ort bewegen. Viel Spaß beim Lesen und Mitfiebern!

Für immer ein Teil von mir

Buddhistisches Neujahr 2021 Buddhistisches Neujahr 2021

Während eines Videocalls mit Frank neulich kam mir die Idee, mich hier im Blog auch wieder einmal zu Wort zu melden. Es ist ja schon eine ganze Weile her, seitdem ich mich physisch von Frank und den Mädchen im Angels Home verabschiedet habe. Immerhin 2,5 Jahre! Das ist eine ganz schön lange Zeit und noch vor 5 Jahren hätte ich mir kaum vorstellen können, mal so lange nicht in Sri Lanka zu sein…

Ja, die Zeit vergeht und mittlerweile stecke ich so fest in meinem deutschen Leben, dass es mir manchmal so vorkommt, als wäre diese Zeit in Sri Lanka einem anderen Ich passiert. Sehr oft werde ich gefragt, ob es nicht komisch ist, wenn man nach so langer Zeit im Ausland wieder zurück nach Deutschland kommt und sich hier einleben muss. Eigentlich nicht, denn ich war ja immer verbunden mit meiner Heimat und auch oft zu Besuch bei meinen Eltern und Freunden. Natürlich ticken die Menschen anders und es gibt Vieles, an das man sich erst wieder gewöhnen muss, aber schwergefallen ist mir das eigentlich nicht.

Mit meiner Kolleging bei der Buchmesse in Leipzig

Mittlerweile arbeite ich seit fast 3 Jahren bei der Meiningen GmbH, unserer Stadtmarketing-Gesellschaft, wo ich neben dem Kundendienst in der Tourist-Information auch für zahlreiche andere Bereiche aktiv sein darf. So habe ich mittlerweile die Freiheit, mich an „normalen" Arbeitstagen 4 Stunden lang im Home Office der redaktionellen Mitwirkung unseres Stadtmagazins zu widmen und digitale Themen wie Onlinebuchbarkeit von Erlebnissen, touristische Datenbankpflege, Apps für digitale Stadtführungen und den Veranstaltungskalender der Stadt Meiningen zu bearbeiten. In den 4 Stunden Präsenzzeit tausche ich mich mit Kollegen aus und übernehme zur Freude der anderen fast immer den Spätdienst bis 18 Uhr in der Tourist-Info. Außerdem habe ich 2023 noch einen Kurs an unserer Volkshochschule belegt, der mich zur Stadtbotschafterin ausgebildet hat und so darf ich nun seit ca. einem Jahr auch selbst Stadtführungen in Meiningen anbieten. Mein Arbeitsbereich ist also ziemlich abwechslungsreich und macht mir große Freude, auch wenn es natürlich etwas gaaaaaaaaanz anderes ist als ein Kinderheim in Sri Lanka zu leiten.

Tatsächlich musste es diesen Bruch für mich geben. Ich habe mir damals bewusst eine Stelle gesucht, die nichts mit dem sozialen Bereich zu tun hat, denn ich brauchte Abstand. Ich wollte etwas tun, mit dem nicht in irgendeiner Form menschliche Schicksale verbunden sind oder erneut Menschen sozial von mir abhängig sind. Ich wollte eine Arbeit, bei der niemand persönlich darunter leidet (auch ich selbst nicht), wenn ich sie irgendwann wieder aufgebe. Mir ist damals diese Entscheidung, das Angels Home und Sri Lanka zu verlassen, so unendlich schwergefallen und ich habe sie so lange vor mir hergeschoben, dass ich das nicht noch einmal erleben möchte.

Noch immer ein gutes Team

Bis heute fühle ich mich mit dem Dry Lands Project e.V., mit Frank und unserem wunderschönen Kinderheim zutiefst verbunden. Natürlich ist es schwierig, neben Vollzeitjob, alternden Eltern, (nicht mehr ganz) neuer Partnerschaft, Freunden, Hobbies, Wohnung und anderen Verpflichtungen diese Verbindung aufrecht zu erhalten. Leider ist es mit der Distanz, der Zeitverschiebung und den Sprachbarrieren nahezu unmöglich, auf Dauer einen guten Kontakt zu den Mädchen zu pflegen. Oft verschieben auch Frank und ich unsere Videocalls zigmal, bis wir beide wirklich Zeit dazu haben. Manchmal sind es auch nur kurze Absprachen zwischen Tür und Angel, die getroffen werden müssen. Aber dieses gesamte Projekt ist eine Konstante in meinem Leben, die immer da ist und immer irgendwie mitschwingt, ja irgendwie Teil von mir ist und das ist auch gut so!

Mit dem Abstand, den ich jetzt habe, fällt es mir auch viel leichter Stolz zu empfinden. Wenn ich mir jetzt Fotos und Videos vom Angels Home anschaue oder alte Berichte lese, wird mir erstmal so richtig bewusst, was wir da aufgebaut haben und – bitte entschuldigt die Ausdrucksweise – wie HAMMERGEIL das eigentlich ist! Wenn man wie Frank in diesem Alltag drinsteckt, realisiert man das nicht wirklich. Aber mit deutschen Maßstäben und Werten kann man wirklich sagen, das wir dort ein humanitäres Lebensprojekt geschaffen haben, von dem sich viele Politiker und Regierende eine dicke Scheibe abschneiden könnten. Über 25 Jahre hinweg haben wir dort mit „nur" 2 Millionen Euro ein Anwesen für Kinder erschaffen, das landesweit seinesgleichen sucht. Wir versorgen kontinuierlich ca. 70 Personen (Kinder + Angestellte) nicht nur mit dem Nötigsten, sondern legen Wert auf Schulbildung, psychische Gesundheit und Entwicklungsmöglichkeiten. Ihr könnt ja mal überlegen, wie lange man mit dem Geld in Deutschland auskommen würde – im Vergleich ist das ein Witz! Und da habe ich noch nicht erwähnt, dass wir unsere Gelder ausschließlich dem privaten Engagement vieler lieber Menschen wie dir und mir zu verdanken haben. Da sind keine staatlichen Förderungen enthalten oder anonyme Spenden, für die wir eigentlich gar nichts können. Die Menschen, die uns unterstützen, tun dies aus Überzeugung – weil sie uns vertrauen, dass wir ihre Spenden zum Wohle der Mädchen verwenden und zum weiteren Erhalt des Projekts in Sri Lanka. Daran gab es von diesen Menschen nie einen Zweifel und wir mussten uns nie bei ihnen rechtfertigen. Allein das ist eine Errungenschaft, die mich unglaublich stolz macht und mir die Überzeugung gibt, dass wir das Richtige tun.

Im November werde ich endlich (nach fast 3 Jahren) wieder einmal nach Sri Lanka fliegen und gemeinsam mit meinem Partner das Angels Home besuchen. Schon jetzt bin ich unglaublich aufgeregt und freue mich darauf, den Teil der Mädels wiederzusehen, die mich noch kennen, und den anderen Teil neu kennenzulernen. Es wird sicher auch komisch zu sein, wieder einen Fuß in mein altes Zuhause zu setzen und die Gefühle auszuhalten, die das in mir auslösen wird, aber die Vorfreude überwiegt. Außerdem muss ich doch mal nach Frank schauen und mich davon überzeugen, dass es ihm gut geht und ihn der Hühnerhaufen nicht in den Wahnsinn treibt. 😉

In diesem Sinne – ganz viele liebe Grüße aus Meiningen und bis bald,

Eure Julia. 

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