Kinderpatenschaften - Von Zweifeln und einem Paradebeispiel

Vishmika mit Patenmama Susi

So ist es immer wieder schwierig, Pateneltern irgendwann erklären zu müssen (und das manchmal schon nach ein paar Monaten), dass ihr Schützling uns wieder verlässt. Natürlich ist es immer das Beste, wenn Kinder bei ihrer eigenen Familie aufwachsen können. Trotzdem bauen auch die Paten eine gewisse Beziehung zum Kind auf und sorgen sich nach der Zeit im Angels Home um seine Zukunft. Ein weiterer Punkt ist die Kontaktpflege, die mitunter sehr viel Zeit und Aufwand erfordert, denn in den meisten Fällen können unsere Mädchen englischsprachige Briefe nicht einfach selbst lesen und beantworten, sondern benötigen dabei enorme Hilfestellung durch unsere Freiwilligen oder das jüngere Betreuungspersonal. Abgesehen davon muss erstmal ein Zeitfenster gefunden werden, wo man ungestört mit nur einem einzigen Mädchen 1-2 Stunden konzentriert an einem Brief für die Pateneltern arbeiten kann. Während der Schulzeit und den zahlreichen Pflichten und Nachhilfeangeboten für die Mädchen ist das fast unmöglich. Und nun denkt einfach mal an Weihnachten, wo fast jedes Mädchen Post von seinen Pateneltern bekommt. Da müssen Fotos vom Auspacken der Päckchen gemacht und verschickt werden, außerdem sollen natürlich alle Pateneltern auch irgendwann ein entsprechendes Dankeschön und ein paar persönliche Zeilen erhalten. Das ist alles in Allem ganz schön viel Arbeit!

Doch jetzt kommt das ABER: In vielen Fällen lohnt sich der Aufwand und in ein paar Wenigen lohnt er sich sogar ganz gewaltig und nachhaltig für ein ganzes Leben. Unsere Mädchen kommen mit den unterschiedlichsten Geschichten und Erlebnissen zu uns ins Angels Home. Einige haben noch ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Angehörigen und andere leider nicht. Viele fühlen sich von ihrer Familie im Stich gelassen, vernachlässigt und ungeliebt. Es gibt wohl kaum ein schlimmeres Gefühl für ein Kind! Und dann gibt es da plötzlich Menschen irgendwo auf der Welt, die sich für sie interessieren, die Fragen stellen und echtes Mitgefühl zeigen. Es entwickelt sich eine Art Brieffreundschaft und ich kann euch nicht mit Worten beschreiben, wie hell die Augen unseren Mädchen leuchten, wenn sie Post von ihren Pateneltern bekommen. Einige von ihnen haben sogar das Glück, ihre Paten irgendwann einmal kennenzulernen und spätestens dann ist die Beziehung noch intensiver und eine solche Entwicklung kann unglaubliches Potenzial für die Zukunft unserer Mädchen haben, für ihren Ehrgeiz und für ihre Motivation.

Auch wenn viele von euch die Geschichte schon kennen, so möchte ich auch den neuen Lesern unserer Webseite noch einmal von Sodi und ihren Pateneltern aus Hamburg berichten. Diese Beziehung ist für mich das Optimum einer gelungenen Kinderpatenschaft und der beste Beweis dafür, dass diese Form der Hilfeleistung in Ausnahmefällen wirklich etwas bewegen kann.

Sodi mit ihren Pateneltern aus Hamburg sowie Frank und mir

Sodi kam als 11-jähriges Mädchen zu uns, von der eigenen Mutter im Stich gelassen und abgesehen von einem Bruder, der in einem anderen Heim untergebracht wurde, keinerlei Kontakt mehr zu irgendwelchen Angehörigen. Umso besser und schneller konnte sie sich bei uns einleben und das Angels Home war schon bald ihr richtiges Zuhause, die anderen Mädchen ihre Schwestern und Frank und ich eine Art Ersatzeltern geworden. Sodi war aufgeweckt und lernte schnell. Vor allem hatte sie den Ehrgeiz, uns zu gefallen und gute Leistungen zu erbringen, da sie die daraus resultierende Aufmerksamkeit sehr genoss. Dazu gehörte auch, dass sie schon bald in der Lage war, mit ihren deutschen Pateneltern Briefe auszutauschen. Guido und Heike waren von Anfang an sehr engagiert und bemüht um Sodi. Vielleicht lag es daran, dass sie keine eigenen Kinder haben, vielleicht war es aber auch auf Anhieb eine Verbindung auf einer besonderen Ebene. Jedenfalls kann man sagen, die Drei waren wie füreinander gemacht und es dauerte nicht lange, bis Sodis Pateneltern das erste Mal zu Besuch in unser Angels Home kamen. Spätestens hier entstanden eine tiefe Freundschaft und Zuneigung, die in den folgenden Jahren durch regelmäßige Briefe und Besuche stets intensiver wurden. Irgendwann konnten wir Sodi mit Heike und Guido auf einen Tagesausflug schicken, zunächst mit Personalbegleitung und irgendwann sogar allein und mit Übernachtungen. Sie wurde immer selbstständiger und sicherer im Umgang mit ihren deutschen Pateneltern und auch Frank und ich hatten stets einen guten Kontakt zu den beiden Hamburgern – besonders auch, wenn es später auch mal um zentrale Themen wie den ersten Freund oder den Umzug in unsere Wohnanlage für Volljährige ging. Der Höhepunkt wäre 2020 Sodis Besuch in Deutschland gewesen, der bereits geplant und gebucht war. Leider kam Corona dazwischen und bisher konnte dieses Vorhaben aufgrund von Schulprüfungen und ungünstigen Ferienzeiten noch nicht nachgeholt werden. Aber Guido und Heike halten trotzdem weiterhin den Kontakt zu ihrer „Tochter", wie sie sie seit Jahren liebevoll nennen. Und sie sorgen für eine sichere Zukunft der jungen Dame, die dank ihnen mittlerweile in Colombo lebt und Modedesign studiert. Ohne ihre Pateneltern und deren grenzenlose Liebe hätte Sodi es vermutlich nicht so weit gebracht und wir alle sind super stolz auf ihre Entwicklung.

Auch wenn diese Geschichte sehr außergewöhnlich ist, so haben wir im Laufe der Jahre immer wieder erfahren können, wie viel Liebe und positive Energie in einer Kinderpatenschaft stecken können. So wurde beispielsweise auch unsere Hiruni insgesamt 12 Jahre lang von Horst Peter und Gudrun aus Celle begleitet. Heute ist sie nach Krankenschwestern-Ausbildung in Galle eine unserer Betreuerinnen im Angels Home und backt nebenbei die tollsten Torten und Kuchen, die man sich vorstellen kann. Oder Sachini, deren Patenmama einen tamilischen Ehemann aus Sri Lanka hat, mit dem sie schon öfters im Angels Home zu Besuch war. Weiterhin denke ich an Dishna, die mit den Eltern unserer ersten Praktikantin riesiges Glück mit ihren Paten gehabt hat und der ich vor 2 Jahren erklären musste, dass ihr Patenpapa Dieter an Corona gestorben ist, woraufhin wir uns weinend in den Armen lagen. Oder Sashini, die als quirlige 4-Jährige zu uns gekommen ist und deren Pateneltern Hänschen und Biggi im Laufe der Jahre richtig gute Freunde geworden sind, mit denen wir viele wilde Abende erlebt haben und die uns oft auch in schwierigen Zeiten unterstützt haben… 

Wahnsinn, ich merke, wie ich abschweife und an dieser Stelle wären noch unzählige weitere Menschen zu erwähnen, die wir ohne das Konzept der Kinderpatenschaften niemals kennengelernt hätten. Viele von ihnen sind mittlerweile Projektpaten und vertrauen darauf, dass wir die Gelder richtig einsetzen. Sie wissen, dass wir die Mädchen ohnehin alle gleich behandeln und nicht danach, wie hoch der monatliche Beitrag ihrer Pateneltern ist.

Und trotzdem wären die meisten dieser tollen Menschen ohne die Fürsorge für eines unserer Mädchen niemals auf unser Projekt aufmerksam geworden. Etwas hat sie dazu bewegt, einem unschuldig verstoßenen Kind in einem fremden Land eine Chance zu geben. Und das ist eine ganz großartige und bewundernswerte Sache! Dazu gehört eine gehörige Portion Nächstenliebe und Idealismus, was in der heutigen Zeit keinesfalls selbstverständlich oder leicht zu finden ist. Viel zu sehr sorgen sich die Menschen um ihre eigene Zukunft und sparen ihr Einkommen für schwere Zeiten – vollkommen verständlich und nicht zu verurteilen. Und trotzdem möchte ich euch sagen, dass so eine Kinderpatenschaft eine gewisse Magie hat. Sie kann Unglaubliches bewirken und jedes unserer Mädchen hat es ebenso wie Sodi verdient, geachtet und geschätzt zu werden. Durch die Zuneigung und das Interesse von Menschen erkennen sie ihren eigenen Wert und lernen, an sich zu glauben und ihre Ziele zu verfolgen. Wir danken allen lieben Pateneltern, die ihren Teil dazu beitragen und uns monatlich mit ihren finanziellen Beiträgen sowie gelegentlich mit kleinen Geschenken, witzigen Fotos und unzähligen liebevollen Zeilen unterstützen. Ohne euch wäre der Alltag unserer Mädchen etwas weniger farbenfroh. Ein Hoch auf Kinderpatenschaften und schön, dass es euch gibt!

Frank, Julia und die Mädchen aus dem Angels Home

PS: Aktuell suchen vier unserer Mädels noch liebevolle Pateneltern. Wenn wir dein Interesse geweckt haben, dann schau doch mal hier vorbei: