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Hier stehe ich nun, vor dem großen grünen Tor mit der altvertrauten Schrift: Angels Home for Children. Unzählige Male bin ich hier rein und raus gegangen, habe Menschen empfangen und wieder verabschiedet, Kindern auf ihrem Weg zur Schule nachgewunken oder Ewigkeiten auf ein TukTuk gewartet. Doch heute gibt es einen Unterschied: Ich muss klingeln und mich ankündigen, darauf warten, dass mich jemand hineinlässt… Es ist nicht mehr mein Zuhause und es ist keine Selbstverständlichkeit,dass ich hier bin. Ich bin froh, dass ich nicht alleine bin. Ich habe den Menschen mitgebracht, der mir jetzt in meinem Leben am nähesten steht und ich bin unendlich dankbar dafür, dass er diesen Weg mit mir geht und platzt vor Neugier auf mein altes Leben.
Frank empfängt uns und ich bin vorfreudig auf all die Dinge, die mich hinter dem Tor erwarten. Es ist eine geballte Ladung Vergangenheit, auf die ich mich einlasse. Oft habe ich mir diesen Moment vorgestellt, versucht, mich hineinzufühlen, wie das wohl sein wird. Ich konnte es nicht und erst jetzt weiß ich, warum: Es fühlt sich nicht fremd an, nicht komisch, nicht traurig oder bedrückend. Es ist einfach ganz neutral und irgendwie nicht so, als ob fast drei Jahre vergangen sind, seitdem ich das letzte Mal hier war.
Im Garten entdecke ich ein erstes vertrautes Gesicht: Nadisha. Sofort blitzen Erinnerungen an dieses schüchterne und traumatisierte 8-jährige Mädchen auf, welches damals aus unvorstellbaren Bedingungen von Polizei und Jugendamt in Obhut genommen und bei uns im Angels Home abgesetzt wurde. Noch heute trägt sie die Narbe auf ihrem Arm, die ihre eigene Mutter ihr zugefügt hat. Doch sie ist nicht mehr klein, sondern eine erwachsene 25-jährige Frau, die zwischenzeitlich geheiratet hat und nach einigem Kommen und Gehen nun wieder als Gärtnerin im Angels Home arbeitet. Wir umarmen uns herzlich, vermischen Erinnerungen mit der Gegenwart und die Zeit scheint für einen Moment still zu stehen.
Frank zeigt uns seinen Garten, neue Pflanzexperimente und den Fortschritt des Pool-Neubaus. Ich bin erstaunt, was sich alles verändert hat und wie viel doch auch gleich geblieben ist. Rastlosigkeit und Stress stehen unverändert in Franks Gesicht, er wirkt getrieben vom Heimalltag, von Telefongesprächen mit Freiwilligen und von den Arbeiten an der Webseite und im Garten, zwischen denen er ständig hin und her wechselt. Am Abend zuvor hatten wir bereits Gelegenheit, uns über vieles zu unterhalten und ich würde mir wirklich wünschen, dass er irgendwann etwas kürzer treten und den Stolz und die Einmaligkeit dieses wunderbaren Projekts realisieren könnte.
Vor dem Heimgebäude wartet die ganze Traube kleiner und großer Engel, neugierige braune Augvollen mustern uns von oben bis unten und Begrüßungsblumen werden überreicht. Ich versuche, die mir noch bekannten Gesichter auszumachen und ihnen die richtigen Namen und Geschwister zuzuordnen.Staunen über meine noch vorhandenen Singhalesisch-Kenntnisse, sowohl bei den Mädels als auch bei mir. Das Personal steht ein paar Meter entfernt und beobachtet das Geschehen und dann entdecke ich sie: Dinesha. Ein Zögern in ihren Bewegungen und in ihrem Blick. Doch dann kommt sie auf mich zu, fällt mir in die Arme und wir können beide unsere Tränen nicht zurückhalten. Genau kann ich es nicht sagen, aber es sind ca. zehn Jahre vergangen, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben. Sie war einst DIE Hoffnungsträgerin unserer ersten 20 Mädels im Angels Home. Mit 12 Jahren und einer unbändigen Energie kam sie zu uns und hat uns mit ihrem Schabernack und ihrem Humor so oft zum Lachen gebracht. Schnelle Auffassungsgabe, herausragende Englisch-Kenntnisse und weiblicher Charme – ratz fatz verwandelte sie sich zur Heimkönigin und es dauerte viele Jahre bis Sodi schließlich in ihre Fußstapfen trat. Doch dann, ganz plötzlich, der große Fall: Abi abgebrochen, viel zu früh geheiratet, nach Dubai ausgewandert und schließlich vom Ehemann belogen und betrogen. Viele zerplatze Träume für ein viel zu junges Leben. Frank nahm sie wieder auf und nun liegt sie hier in meinen Armen, die taffe und noch immer sehr selbstbewusste Heim-Managerin, und heult Rotz und Wasser. Ein sehr bewegender Moment für uns beide.
Auch das Wiedersehen mit den vielen einzigartigen Mädels, den Angestellten Judith, Deepani und Dissa sowie mit unseren Schäferhunden ist sehr bewegend für mich. Es gibt unzählige weitere Begegnungen und Emotionen am heutigen Tag, vieles geht mir durch den Kopf und will verarbeitet werden. Aber keinesfalls vor einer Runde Volleyball! Wir trommeln die Mädels auf dem Feld zusammen und suchen den besten Ball, den wir finden können. Der Tag endet mit viel Geplapper und Gelächter. Noch immer versprühen diese Mädels eine solche Lebensfreude, trotz ihrer Geschichten und den Päckchen, die sie geduldig tragen, obwohl sie für ihre kleinen Schultern viel zu groß sind. Beim Abschied versichern wir den hoffnungsvollen Gesichtern, dass wir morgen wieder kommen. Ein weiterer Tag Vergangenheit, bevor wir unsere Rundreise durch Sri Lanka beginnen. Ein weiterer Tag, den ich mit jeder Faser meines Körpers aufsaugen werde – als Gast im eigenen Zuhause.