Mittendrin statt nur dabei.

Über unseren Blog „Mitten im Geschehen“ könnt ihr täglich aktuelle Neuigkeiten aus unserem Kinderheim Angels Home for Children in Sri Lanka erfahren. Sowohl die Projektleiter Frank und Julia als auch die Freiwilligen berichten hier über ihre Arbeit mit den Mädchen, witzige Begebenheiten aus dem Alltag oder auch über Besonderheiten aus einem Leben in Sri Lanka. Mit unseren Blogeinträgen möchten wir euch kontinuierlich auf dem Laufenden halten und teilhaben lassen, was wir dank eurer Hilfe mit dem Dry Lands Project e.V. für die Kinder hier erreichen. Viel Spaß beim Lesen!

Kurz ausgeknockt vom neuen Leben

Zack... positiv Zack... positiv

Leise, aber kontinuierlich prasselt der Regen gegen meine Fensterscheibe, während die Heizung mit unsicheren Geräuschen vor sich hin knistert – zögerlich, ob sie ihren Dienst wirklich schon antreten soll. Es ist kalt geworden in den letzten Tagen und wenn ich den Menschen, die unten auf der Straße an meinem Haus vorbeilaufen, ins Gesicht schaue, dann sehe ich darin Enttäuschung und Frustration über den endenden Sommer. So sind wir Deutschen halt; niemals zufrieden, obwohl die Sonne in den letzten Wochen und Monaten alles gegeben und jeden noch so grummeligen Griesgram erfreut hat. Nun haben wir wieder etwas zu meckern und das ist auch gut so!

Ich merke, wie meine Gedanken einmal mehr nach Sri Lanka schweifen, ins Land des ewigen Lächelns, wo die Sonne jeden Tag zur selben Zeit unter- und wieder aufgeht und wo man sich auf sie verlassen kann wie auf Rice & Curry. Oft habe ich mich gefragt, woher die Einheimischen ihre Freundlichkeit und Gelassenheit nehmen, doch in den letzten Monaten ist es schier unbegreiflich, wenn man bedenkt, was sie durchmachen. Da fühle ich mich mit meinen Luxusproblemen fast klein und nichtig. Nicht umsonst habe ich in den letzten Wochen keine News mehr aus Sri Lanka gelesen und den Kontakt mit ehemaligen Mädels oder Angestellten auf ein Minimum beschränkt. Ich musste raus aus dieser Welt, musste meine Gedanken fokussieren auf meine neuen Aufgaben, meine neuen Probleme und mein neues Leben. Beides parallel konnte ich nicht, ohne mich von meinen Gedanken und Empfindungen überfordert zu fühlen.

Mit einem Stand der Meiningen GmbH bei der Messe Parkwelten

Also stürzte ich mich kopfüber in meinen neuen Vollzeitjob, wollte von Anfang an 100% geben, Engagement zeigen, den Kollegen gefallen und übernahm freiwillige Aufgaben. Ich schrieb mir viel auf, lernte jeden Tag tausend neue Dinge und merkte oft, dass mein Kopf auch nach der Arbeit nicht zur Ruhe kommt. Doch da gab es schließlich noch genügend andere Sachen, die meine Aufmerksamkeit brauchten: mein Körper, dem ein bisschen mehr Sport sicher guttun würde, meine Wohnung, die ab und zu geputzt werden möchte, mein Kühlschrank, der sich leider auch nicht von allein füllt – ganz zu schweigen von Freizeitstress mit meinen lieben Eltern und guten Freunden. Ja, ich weiß; für viele von euch ist das Normalität, aber für mich war diese Umstellung nach 15 Jahren Sri Lanka in einem komplett anderen Alltag schon ziemlich krass. Ich merkte oft, dass mir am Ende des Tages schlichtweg die Energie fehlte, für Drylands noch Buchführung zu machen, einen Zeitungsartikel zu schreiben oder Kontakt zu Sponsoren zu halten. So gab es viele Tage, wo ich morgens zu unchristlichen Zeiten aufgestanden bin, um noch vor der Arbeit ein Stündchen was für das Projekt zu machen. Irgendwie musste es doch gehen, dachte ich mir. Andere Frauen haben Kinder und kriegen das trotzdem alles auf die Reihe! (Dazu ganz nebenbei: RESPEKT!)

Es kam, wie es kommen musste: Letzte Woche hat mein Körper gestreikt. Nachdem ich am Montag von 8 bis 20 Uhr auf der Arbeit und danach noch einkaufen war, ging ich am Dienstag schon mit einem gewissen Unwohlsein aus dem Haus. Als ich während der Mittagspause meine Augen im Spiegel sah, wusste ich, dass etwas nicht stimmte, und ich erinnerte mich an die gut gemeinten Worte meiner neuen Chefin: „In unserem Job kann man lieber einmal mehr einen Corona-Schnelltest machen, wenn man sich nicht wohlfühlt." Also Ratschlag befolgt und zack – positiv. Dann ging alles ganz schnell und eine Stunde später lag ich erschöpft in meiner Wohnung im Bett und wollte einfach nur noch schlafen… ganz viel schlafen. Ein offizieller PCR-Test beim Landratsamt brachte das Ergebnis dann nochmal schwarz auf weiß und so war ich in den letzten 7 Tagen von 100 auf 0 dazu verdonnert, ganz viel Zeit mit mir allein zu verbringen und einfach mal auf meinen Körper zu hören. Tja, was soll ich sagen? Sicherlich nicht die schlechteste Idee von Mutter Natur und es wäre gelogen, wenn ich euch sagen würde, dass ich diese Zeit nicht auch ein wenig genossen habe. Zum Glück ging es nach 2 Tagen Erschöpfung auch ziemlich schnell wieder aufwärts und abgesehen von ein paar normalen Erkältungssymptomen bin ich verschont geblieben. Und noch viel wichtiger: soweit ich weiß, habe ich auch niemanden in meinem Umfeld mit angesteckt.

Mit meiner Nichte Melly im Theater
Ausflug mit meinen lieben Eltern
Mädels-Wochenende mit meinen 2 Liebsten

Nun sitze ich also hier – eine Woche mit sehr viel Schlaf, einer halbwegs sauberen Wohnung, Unmengen an abgelassenem Badewasser sowie ein paar erledigten Drylands-Aufgaben später und beobachte die griesgrämigen Menschen auf der Straße. Ich muss ihre Luxusprobleme nicht teilen, nicht ihr Leben leben oder mich mit ihnen vergleichen. Denn eins ist sicher: Ich habe noch immer Sri Lanka im Herzen, bin einfach anders als sie und mag den Menschen, der sich da in den letzten 15 Jahren geformt hat, ziemlich gerne! Ich muss nur noch lernen, einen gesunden Mittelweg für mich zu finden. Lange Video-Gespräche mit Frank helfen mir dabei, denn es ist schön, seine Stimme zu hören und mir von ihm den ganz normalen Angels-Home-Wahnsinn erzählen zu lassen. Wir alle finden irgendwie ganz langsam unseren Platz in dieser neuen Lebenssituation – jeder auf seine Art und jeder mit unterschiedlichen Höhen und Tiefen. Vieles ist jetzt anders und manches wird sicher nie wieder so, wie es mal war, aber ich habe ein gutes Gefühl, dass uns die Veränderung guttut und wir daran wachsen. Frank macht einen tollen Job und ich staune immer wieder über seine Energie, sich neuen Herausforderungen zu stellen und unser „Baby" Dry Lands Project e.V. am Leben zu halten. Auch mit Babett bin ich häufig in Kontakt und ich spüre, dass sie den Mädels richtig guttut und uns mit neuen Ideen und Denkansätzen herausfordert. Klar ist das nicht immer einfach und oft ertappe ich mich dabei, dass ich sie belehren möchte oder ihr meine Arbeitsweise aufs Auge drücke. Zum Glück nimmt sie das alles ganz entspannt und es ist beeindruckend, wie sie die Zusammenarbeit mit uns beiden festgefahrenen Eigenbrötlern meistert und trotzdem irgendwie ihren eigenen Weg findet. Ich hoffe so sehr, dass sie es besser schafft als ich, immer genügend auf sich selbst zu achten und die Frustration über korrupte Strukturen und unveränderliche Gegebenheiten nicht Besitz ergreifen zu lassen von einem Leben, dass zwischen Palmen, Kinderlachen und Nachhaltigkeit doch eigentlich so schön sein kann! Wenn sie es dann auch noch schafft, Frank ein bisschen davon beizubringen, dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. 😊

In den nächsten Tagen werde ich wieder zur Arbeit gehen und mein deutsches Leben leben, aber ich werde versuchen, es etwas langsamer angehen zu lassen und mich nicht so oft zu verfluchen für liegengebliebene Dinge, die ich einfach gerade nicht schaffe und die auch gut und gerne noch ein bisschen länger liegenbleiben dürfen. Ich brauche wieder mehr Insel-Gelassenheit und lächelnde Gesichter – vielleicht auch einfach mal wieder Rice & Curry. Schon jetzt freue ich mich auf meinen nächsten Besuch im Angels Home, voraussichtlich gegen Ende des Jahres. Sicherlich wird auch das eine ganz neue Erfahrung als Besucherin ohne Alltagsroutine; Eintauchen in eine vertraute Welt, die man dann mit anderen Augen sieht. Aber eins ist Fakt: Ich freu mich drauf und während ich so darüber nachdenke, verziehen sich die grauen Wolken vor meinem Fenster und ein paar zaghafte Sonnenstrahlen brechen durch die Wolken. Unten auf der Straße läuft eine Frau mit Hund vorbei und ihr werdet es kaum glauben: sie lächelt!

Liebe Grüße,

Julia. 

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Es gibt da noch etwas, was Ihr wissen müsst
Was braucht ein Kinderherz?

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