Mittendrin statt nur dabei.

Über unseren Blog „Mitten im Geschehen“ könnt ihr täglich aktuelle Neuigkeiten aus unserem Kinderheim Angels Home for Children in Sri Lanka erfahren. Sowohl die Projektleiter Frank und Julia als auch die Freiwilligen berichten hier über ihre Arbeit mit den Mädchen, witzige Begebenheiten aus dem Alltag oder auch über Besonderheiten aus einem Leben in Sri Lanka. Mit unseren Blogeinträgen möchten wir euch kontinuierlich auf dem Laufenden halten und teilhaben lassen, was wir dank eurer Hilfe mit dem Dry Lands Project e.V. für die Kinder hier erreichen. Viel Spaß beim Lesen!

Kampf gegen den Stillstand

Außerhalb der Ausgangssperre ist auf den Straßen die Hölle los. Außerhalb der Ausgangssperre ist auf den Straßen die Hölle los.
Unzähle Autos und Menschen auf dem Parkplatz unseres Supermarkts.

In Sri Lanka leben wir nun schon seit einer Woche mit fast durchgängiger Ausgangssperre. Auch wenn sich an unserem Alltag nicht allzu viel ändert, da wir ja sonst fast auch rund um die Uhr im Kinderheim sind, so merkt man natürlich trotzdem, was um einen herum passiert. Unser Personal kann nur noch eingeschränkt zur Arbeit kommen bzw. diejenigen, die hier leben, können ihre freien Tage nicht optimal nutzen, weil wir jedes Mal schauen müssen, ob sie überhaupt gehen können bzw. wann sie wieder zurückkommen. Momentan ist es so, dass die Ausgangssperre ca. alle 3 Tage für 6-8 Stunden aufgehoben wird, damit die Menschen ihre Einkäufe oder andere wichtige Wege erledigen können. Ihr könnt euch sicher vorstellen, was während dieser Zeiten draußen los ist. Unser Fahrer Dissa ist am Dienstag bereits um 5.30 Uhr morgens losgefahren (um 6 Uhr wurde die Ausgangssperre aufgehoben), um für unser Angels Home Gemüse einzukaufen. An den Supermärkten, Apotheken, Tankstellen und Bäckereien sind endlos lange Schlangen, in denen die Menschen teilweise stundenlang in der blanken Sonne stehen, um etwas einkaufen zu können. In vielen Läden darf sich nur eine bestimmte Anzahl von Menschen gleichzeitig aufhalten, sodass erst jemand rein darf, wenn ein anderer herauskommt. An vielen Tagen reichen die paar Stunden, in denen die Ausgangssperre aufgehoben wird, bei Weitem nicht aus, dass jeder genügend Lebensmittel für die eigene Familie bekommt. Unsere Kinder berichten, dass viele ihrer Angehörigen am Telefon sagen, dass sie nicht mehr genug zu essen haben. Da können wir uns noch relativ glücklich schätzen, dass wir für das Angels Home immer einen guten Vorrat an Trockenprodukten auf Lager haben. Damit kommen wir sicher noch ein paar Wochen über die Runden und zu den offiziellen "Ausgehzeiten" versuchen wir, so viele frische Sachen wie möglich zu bekommen. Ein gutes Argument ist natürlich immer das Kinderheim, wo wir momentan täglich ca. 65 Personen versorgen müssen. Da drückt dann doch eine oder andere Germüsehändler ein Auge zu und verkauft uns größere Portionen als den anderen Kunden. Trotzdem ist es ein Kampf und wir sind dankbar für die Hartnäckigkeit und das Durchhaltevermögen von Dissa und Frank, die sich um die Einkäufe kümmern.

Auch an den Obst- und Gemüseständen drängeln sich die Menschen.

Die staatlichen Behörden und Dienstleistungen sind größtenteils zum Erliegen gekommen. Der öffentliche Nahverkehr funktioniert kaum noch, Jugendamt und Gericht stehen uns sehr eingeschränkt als Ansprechpartner zur Verfügung und die Post hat komplett ihren Service eingestellt. An dieser Stelle einen ganz lieben Gruß an all unsere bemühten Pateneltern, die Briefe und Päckchen auf den Weg gebracht haben. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis das alles bei uns ankommt. Auch können wir momentan nicht antworten oder Geburtstagsgrüße an euch verschicken. Wir wissen nicht, wie lange das noch so sein wird, aber momentan steht wie überall auf der Welt die Gesundheit der Menschen an erster Stelle. Wir haben insgesamt 102 registrierte Corona-Fälle auf der Insel und wenn man den Medien glauben darf, wurden in den letzten 24 Stunden keine neuen Infizierten gezählt. Hier lautet die Devise jedoch "Abwarten und Tee trinken". Auch wenn man nicht genau weiß, inwieweit man den öffentlichen Zahlen hier vertrauen kann, so geht die Regierung doch recht entschlossen und vernünftig mit der Situation um. Mittlerweile wurden schon über 2.000 Menschen wegen Verletzung der Ausgangssperre verhaftet und der gesamte Passagier-Verkehr landeinwärts wurde eingestellt. Man ist da sehr streng, aber das ist in einem Land wie Sri Lanka auch durchaus wichtig und richtig. Nun hoffen wir mal, dass die Zahl der Infizierten langsam stagniert und wir bald zum normalen Leben zurückkehren können. Immerhin haben wir einen kleinen Vorteil gegenüber anderen Ländern: Wir leben auf einer Insel und wenn hier keiner rein darf und die Regierung weiterhin so streng ist, dann könnte Sri Lanka ganz gut davon kommen. Mittlerweile sind 2 Patienten bereits wieder gesund und Hunderte befinden sich in der extra eingerichteten Quarantäne-Zentren, die über das Land verteilt sind.

Lerngruppe der älteren Mädchen im Garten

Im Angels Home machen wir das Beste aus der momentanen Situation. Wir haben den Tag neu strukturiert und am Morgen wird in 3 verschiedenen Altersgruppen gelernt. Jeweils mit einem Personal vertiefen die Mädels ihre Kenntnisse in Singhalesisch, Mathematik oder Englisch. Letzeres hat bis vor Kurzem noch unsere Lisi übernommen, doch nachdem ihr am Sonntag vom Auswärtigen Amt nahe gelegt wurde, doch bitte den letzten Flug am Abend zu nehmen, da sie sonst eventuell auf unbestimmte Zeit in Sri Lanka bleiben muss, hat auch diese taffe Frohnatur verständlicherweise die Segel gestrichen. Auch die bereits angekündigte Linda, die eigentlich am 15.03. ankommen sollte, durfte in Deutschland nicht mehr ausreisen und somit bleiben wir nun wohl mindestens bis Anfang September Praktikanten-frei, was sehr schade ist.

Die Mädels lassen sich jedoch die Laune nicht verderben und beschäftigen sich neben den Lerneinheiten gut mit verschiedensten Gruppenspielen, Badminton und auch das Plantschen in unserem Pool ist sehr beliebt. Außerdem gibt es immer ein paar Fleißige, die unserer Köchin Nadisha in der Küche helfen oder die Aufgaben unserer Putzfrau übernehmen, solange diese nicht zur Arbeit kommen kann. Vergangenen Samstag habe ich eine Aerobic-Stunde für alle Mädchen und das Personal veranstaltet. Dazu haben wir uns alle in Sportklamotten auf der Dachterrasse getroffen, eine flotte Musik aufgelegt und ich habe dann als Vorturnerin ca. eine Stunde lang den lahmen Haufen motiviert, sich zu bewegen. Quintessenz war, dass Lisi, unsere Angestellte Darshini und ich vermutlich am besten mitgemacht und auch am meisten geschwitzt haben. Die Mädels haben manche Übungen, die ihnen zu schwer waren, einfach ausgelassen und nach der Stunde schon wieder Brennball im Garten gespielt. Auf meine Frage hin, ob wir das nochmal wiederholen sollen, kam trotzdem ein begeistertes "Yeeeeeeeeeeeees!", also werden wir das in den folgenden Tagen noch einmal machen. Außerdem ist noch ein Sportfest, eine Schnipseljagd und ein Tanz-Wettbewerb geplant. Wie ihr seht, wird es also nicht langweilig bei uns.

Shashikala und Nishama helfen fleißig in der Küche.
Padmini übernimmt das Wischen im Angels Home.
Hier sollten eigentlich mehr Beine in der Luft sein.
Aber alle hatten Spaß an meiner Aerobic-Stunde.

Trotzdem muss man aufpassen, dass man sich vom allgemeinen Stillstand der Welt momentan nicht mitreißen lässt. Es gibt im Büro eigentlich immer Sachen für mich zu tun und seien es die Dinge, die nicht ganz so wichtig sind, aber dennoch schon seit Monaten auf meiner To-Do-Liste stehen. Momentan ertappe ich mich jedoch häufig dabei, dass ich lethargisch denke: "Ach, egal, das kann ich auch noch ein andermal machen, wir haben ja ohnehin gerade die Corona-Krise!" Geht euch das auch so??? Ich habe das Gefühl, das ganze Leben da draußen ist irgendwie stehengeblieben und irgendeine höhere Macht möchte, dass wir uns auf uns selbst konzentrieren und Zeit mit unseren Liebsten verbringen. Also sollten wir dies vielleicht auch tun und in diesem Sinne schalte ich jetzt meinen Computer aus und gehe mit den Mädels eine Runde schwimmen.

Liebe Grüße aus dem Angels Home,

Julia. 

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Eigentlich würden wir jetzt im Flugzeug sitzen
Unterstützung im Angels Home

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