Mittendrin statt nur dabei.

Über unseren Blog „Mitten im Geschehen“ könnt ihr täglich aktuelle Neuigkeiten aus unserem Kinderheim Angels Home for Children in Sri Lanka erfahren. Sowohl die Projektleiter Frank und Julia als auch die Freiwilligen berichten hier über ihre Arbeit mit den Mädchen, witzige Begebenheiten aus dem Alltag oder auch über Besonderheiten aus einem Leben in Sri Lanka. Mit unseren Blogeinträgen möchten wir euch kontinuierlich auf dem Laufenden halten und teilhaben lassen, was wir dank eurer Hilfe mit dem Dry Lands Project e.V. für die Kinder hier erreichen. Viel Spaß beim Lesen!

Blut ist dicker als Wasser

Dilini Die Macht der Liebe

Der letzte Sonntag des Monats: Ein Tag geprägt von Liebe und Enttäuschung

Der letzte Sonntag des Monats ist im Angels Home ein Tag voller Aufregung und Erwartungen. Die Kinder wachen mit einem Kribbeln im Bauch auf und können es kaum erwarten, ihre Eltern wiederzusehen. Schon seit Tagen haben sie sich darauf vorbereitet, indem sie sich überlegen, was sie ihren Eltern erzählen wollen.

Die Atmosphäre im Heim ist an diesem Tag erfüllt von Hoffnung und Vorfreude.

Einige sind voller Freude und Optimismus, dass ihre Eltern kommen werden. Sie erwarten herzliche Umarmungen, liebevolle Worte und Zuneigung. Wenn ihre Eltern auftauchen, ist die Freude groß. Sie genießen jede Minute der gemeinsamen Zeit, egal wie kurz sie auch sein mag. In diesen Momenten vergessen sie die Sorgen und sind einfach nur glücklich, ihre Eltern in ihrer Nähe zu haben. Oft kann ich dann beobachten, dass es viele Kuscheleinheiten gibt, einige Eltern nehmen kleine Geschenke mit und es ist ein Lächeln auf den Gesichtern aller Beteiligten. Manchmal holen mich die Kinder auch dazu und stellen mich stolz ihrer Familie vor. An solchen Augenblicken teilzuhaben ist wunderschön.

Die Schwestern Ahinsa und Ayodya bekommen beispielsweise fast jedes Mal Besuch. Ayodya sitzt dann meist auf dem Schoss ihrer jungen Mutter und genießt die Nähe. Ahinsa sieht man häufig aufgeregt erzählen. Letztes Mal wurde ich von den beiden Schwestern mitgenommen und hatte die Möglichkeit die Mutter selbst kennen zu lernen. Sie sprach kaum Englisch, daher fungierte Ahinsa als Übersetzerin.

Doch nicht alle Kinder teilen diese positiven Emotionen. Während einige Kinder regelmäßige Besuche erwarteten, sehnen sich andere nach der Wärme einer Umarmung ihrer Familie, die sie selten oder nie erlebten.

Oft bin ich mit der Situation konfrontiert, dass Kinder Tage vorher überglücklich zu mir kommen und mir erzählen, dass ihre Eltern sie besuchen kommen. Am Besuchstag erscheinen diese dann aber nicht. Für sie ist dieser Tag mit Unsicherheit und Ängsten verbunden. Sie fragen sich bestimmt, warum ihre Eltern nicht die Möglichkeit nutzen, sie zu besuchen. Gerade, wenn andere Eltern es dafür so regelmäßig tuen und schaffen. Natürlich kann ich nur ahnen, was in den Köpfen der Kinder vorgeht und was für Gedankengänge und Fragen bei den Kindern aufkommen. Einfach, kann das allemal nicht sein. Gerade für jüngere Kinder die Faktoren wie Geld, Anreisezeit oder mangelndes Verantwortungsbewusstsein nicht nachvollziehen und verstehen können.

Wie kann ein Kinderherz sowas auch verstehen?

Ein schmerzlicher Kontrast

warten ist angesagt

Der Kontrast zwischen den besuchenden und den selten oder nie besuchten Kindern ist allgegenwärtig an jenen Sonntagen. 

Sie sehen ihre Freunde glücklich und aufgeregt, während sie sich auf der einen Seite für diese freuen, haben sie auf der anderen Seite mit einer inneren Leere zu kämpfen. Während die einen Kinder von ihren Eltern umarmt und geküsst wurden, müssen sich die anderen mit den tröstenden Worten der Kindermädchen begnügen. Oft ziehen sich diese Mädchen zurück für den Tag. Aber hinter ihren Augen spiegelten sich die tiefen Sehnsüchte nach einer Familie wider, die sie nicht kennen oder die nicht in der Lage war, ihnen das zu geben, wonach sie sich so sehr sehnten.  

Doch trotz der unterschiedlichen Erfahrungen der Kinder an den Besuchstagen haben sie alle etwas gemeinsam: die Hoffnung, dass sich die Dinge irgendwann ändern würden. Jedes Kind sehnt sich danach, bedingungslose Liebe zu erfahren und in einer Familie aufzuwachsen, in der es sich geborgen fühlen kann.

Dieser Traum ging vor kurzer Zeit für Mayomi in Erfüllung.

Sie durfte zurück zu ihrem Vater. Verschiedene Faktoren in seinem Leben haben sich verbessert, er hat jetzt eine neue Frau, ein Haus und ein stabiles Einkommen. Die Freude von Mayomis Seite war riesig, daher sind ihr beim Abschied zu den Mädels hier nur wenige Tränen entlaufen. Zu groß die Freude, zurück zu ihrem Vater zu kommen.

Wir hoffen, dass sie mit ihrer neuen Familiensituation zufrieden sein wird und ihr dort ähnliche Möglichkeiten geboten werden, wie wir hier für sie hatten.
Zwar ist dies nicht der reguläre Fall, nichtsdestotrotz gibt es auch Eltern, die trotz eines langen Anreiseweges, diesen für besondere Anlässe ohne zu zögern realisieren. Wie etwa hier:

Ein ganz besonderes Geschenk

Vishminis Geburtstagswunsch

Vishmini feierte heute ihren 18. Geburtstag. Um das zu feiern, gab es eine Ausnahme. Ihr Vater durfte außerhalb der Besuchstage zu uns kommen. Normalerweise wird Besuch nur am letzten Sonntag im Monat erlaubt, anrufe dürfen die Kinder jederzeit empfangen. 

Als der Vater um ca. 14 Uhr ankommt, kommt er nicht mit leeren Händen. Für alle Mädchen und auch für die Mitarbeiter und uns, hatte er Kuchen und Banane mitgenommen. Darüber haben sich alle sehr gefreut. Als wir traditionell um 16 Uhr zur Teezeit anfangen Vishmini ihr Geburtstagslied zu singen, sehen wir, wie der Vater aus der Distanz zuschaut. Kurzerhand entscheiden wir, ihn herzuholen, damit er diesen schönen Moment direkt neben seiner zweiten, kleineren Tochter, Vidukshini teilen konnte. Liebevoll nimmt er sie dafür seitlich in den Arm und streichelt diesen ruhig auf und ab. Ohne weiter aufzufallen, beobachtet er die Szene. Alle 60 Mädchen sind aufgestanden und singen seiner jetzt volljährigen Tochter ein Geburtstagslied. Dabei blicken ihn wahrscheinlich viele freundlich lächelnde Gesichter an. Er aber lässt den Blick nicht von seiner Vishmini, im Augenwinkel sammeln sich die ersten Tränen. Stolz lächelt er seine Tochter an. Als wir fertig gesungen haben fängt Vishmini an ihre Torte zu schneiden. In Sri Lanka ist es Tradition ein Stück Kuchen abzuschneiden und anschließend von einer Person zur nächsten zu gehen, um diese abbeißen zu lassen. Vishmini reicht ihrem Vater das erste Stück, dieser schiebt das Stück Kuchen ganz gerührt von sich weg und Richtung Vishminis Mund. Auffordernd, dass sie die erste sein soll, die zu diesem besonderen Anlass vom Kuchen abbeißt. Nachdem sie dies macht, nimmt er sie kurz in den Arm. Seine Augen sind nun mit immer mehr Tränen gefühlt, kurzerhand entschuldigt er sich und läuft Richtung Eingang. Beim Gehen nimmt er seine Brille ab und wischt sich über seine Augen. Was wohl in ihm vorgeht? Zu sehen, in was für einer schönen Gemeinschaft Vishmini aufgewachsen ist, und seit 2019 ihr Zuhause nennt, was für eine Liebe sie von den ganzen Mädchen bekommt und wie gut hier um sie gesorgt ist, berührt ihn ganz bestimmt tief. Auch wahrscheinlich der Gedanke daran, dass er ihr das nicht bieten konnte, obwohl er das ganz klar versucht hat. Der klassische Familienvater konnte er notgedrungen nicht sein, wissentlich, dass er so viele Momente aus Vishminis und Vidus Kindheit dadurch verpasste. 

Schließlich hatte die Mutter der beiden Kinder die Familie früh verlassen, um mit einem anderen Mann zu leben. Dieser hatte kein Interesse daran, sich um Kinder zu kümmern, die nicht seine eigenen sind. Der leibliche Vater bekam daraufhin Unterstützung von seinen Verwandten und Bekannten, um seinen beiden Töchtern ein behütetes Zuhause zu gewährleisten. Er selbst ist Bauarbeiter und daher viel unterwegs. Das klappte bis 2019, dann entschied sich der Vater mit Absprache mit dem Jugendamt, dass beide in ein Kinderheim kommen. Seitdem sind die beiden also bei uns. 

Klar schwenkt da irgendwo Trauer mit. Nichtsdestotrotz, in jedem Augenblick, den er dafür jetzt mit seinen beiden Mädels verbringen darf, wirkt er unglaublich dankbar und stolz. Wir sind auch dankbar, dass die beiden eine so gute Verbindung zu ihrem Vater haben und auf seine Liebe stützen können. Selbst wenn der Vater nicht die Mittel besitzt, um seine beiden Töchter zu sich zu holen, gibt er sein Bestes. Und das Wichtigste ist schließlich, dass er seine aufrichtige Liebe und Interesse den Kindern schenkt. Das genießen die beiden stets sehr. 

Auch wir freuen uns, wenn wir eine enge Vater-Tochter-Beziehung fördern können.

Für die Kinder ist es grundsätzlich schwer nachzuvollziehen, warum die leiblichen Eltern sich nicht um sie kümmern können. Vidu und Vishmini sind schon älter und haben es daher mehr oder weniger akzeptieren und somit verstehen müssen. Das gilt aber nicht für jüngere Kinder. Diese leiden oft darunter, wenn ihre Eltern gesagte Versprechen nicht halten.          

Kinder, die keine Familie haben oder keinen Kontakt zu ihnen haben, sind von dem Gedankenchaos nicht wirklich betroffen. Für sie ist es lediglich ein weiterer Sonntag. Daher haben es diese oft auch einfacher. Schließlich können sie sich vollkommen auf das Leben im Angels Home einlassen.  

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