Drylands Presseartikel

"400 Euro, die uns hier sehr helfen" 20.10.2010

Julia und AnneJulia Fischer aus Gerthausen bei Meiningen war zwölf, als sie mit ihren Eltern erstmals Sri Lanka und die Menschen dort kennen lernte. Im Urlaub. Dann kam 2004 die Tsunami-Tragödie, und als sie einen Praktikumsplatz suchte, fand sie ihn - und längst auch ihren neuen Lebensmittelpunkt in Marawila nahe der Hauptstadt Colombo.

Die von dem Deutschen Frank Lieneke 2005 ins Leben gerufene humanitäre Initiative Dry Lands Project e.V. mit ihrem Kinderheim für Mädchen "Angels Home for Children" ist seither Julias Herzensanliegen. Und unter schwierigen Bedingungen der nahezu ehrenamtliche Arbeitsplatz der engagierten, heute 27-jährigen Südthüringerin.

Julia stieß nach Internet-Recherchen auf der Homepage www.dry-lands.org auf ihren (zunächst) Praktikumsplatz, dem Resultat einer anfänglichen Tsunami-Soforthilfe. Im August 2006 folgte die Eröffnung der ersten Einrichtung für verwaiste und vernachlässigte Kinder: "Ich wollte dort unbedingt mithelfen, hatte auch die Dimension und Folgen der Tsunami-Katastrophe 2004 vor Augen. Wo ich doch Land und Leute Sri Lankas im Urlaub lieb gewonnen hatte. Ich wäre damals am liebsten aufgesprungen, rein in den nächsten Flieger!", erinnert sich Julia heute, da sie mit Frank Lieneke Großes für die Schwächsten unter den Armen leistet: Derzeit 24 Mädchen zwischen fünf und 17 Jahren Hilfe beim Start ins Leben geben. In einem von Bürgerkrieg, Armut und Naturkatastrophen geschundenen Land.

Und sie weiß, wie weit und schwierig der Weg zu diesem Leben weit jenseits ihrer Heimat ist. Auch wenn das Herz darauf brennt, Menschen zu helfen: "Wichtige praktische Voraussetzung ist eigene Unabhängigkeit. Nur wenn man sein eigener Herr ist, kann man eine solche Entscheidung treffen und langfristig durchstehen."

Ohne unterstützendes "Hinterland" ging es dennoch nicht: "Wichtige Stütze waren und sind meine Eltern, die große Sympathie für meine Arbeit haben, mich finanziell unterstützen. Ohne sie hätte ich diesen Entschluss nie treffen können. Meine Eltern sind absolut von unserer Arbeit überzeugt, haben uns bereits in Marawila besucht. Schon seit meinem Praktikum 2006 unterstützen sie unser allererstes Mädchen im Angels Home for Children, die elfjährige Anne Chrismalee, mit einer Kinderpatenschaft.

Und: Mein lieber Opa Edwin Rappsilber ist nicht zu vergessen! Er ist 90 und stets interessiert, was wir hier so alles auf die Beine stellen. Er unterstützt uns durch eine großzügige monatliche Projektpatenschaft und andere Spenden." Julia ist so richtig stolz auf ihn, als sie hinzufügt: "Im August hat er zu seinem 90. Geburtstag auf Geschenke jeder Art verzichtet, stattdessen um Spenden für Angels Home gebeten. 400 Euro, die uns hier sehr helfen!"

Stolz auf die Tochter

Die Eltern werden auch im Januar 2011 mit einigem Stolz auf ihre Tochter dabei sein, wenn es in Marawila eine feierliche Neueröffnung gibt: "Wir schafften es mit unseren Verbündeten, dass grad ein neues Kinderheim für bis zu 60 Kinder entsteht. Samt Ausbildungszentrum. Bis zur Fertigstellung benötigen wir noch rund 14 000 Euro."

Für das neue Vorhaben sucht man ab Februar 2011 wieder Praktikantinnen und künftige Helferinnen. "Möglichst langfristig!", betont Julia auf die Frage nach notwendigen persönlichen Voraussetzungen, zu denen sie insbesondere Empathie und Toleranz, abgeschlossene Ausbildung bzw. Studium und möglichst auch Berufserfahrung rechnet. Auch "ausreichend Selbstbewusstsein, starker Wille, Geduld und Ausdauer" seien notwendig. "Eben so, dass man sich bewusst ist, ständig auf einer Gratwanderung zu sein: zwischen Mitleid und emotionaler Stärke, zwischen Erziehung der Kinder zur Ehrlichkeit einerseits und der Vorbereitung auf das Leben in einem korrupten Land andererseits."

Julia gesteht: "Wir haben oft Wut über Arbeitsweisen von Behörden, über unumgängliche Abhängigkeiten. Um die Aufenthaltsgenehmigungen nicht zu verlieren." Ihre Erfahrung ist außerdem "ein Bewusstsein, dass man sich für eine Lebensaufgabe entscheidet, sich nicht nach ein paar Monaten einen anderen Job suchen kann. Nicht, wenn man aus tiefstem Herzen helfen will."

Und da ist Julia wieder bei ihren Eltern, denen sie dankbar ist, dass sie ihr bis heute zu ihrer außergewöhnlichen Arbeit ermutigend auf die Schultern klopfen: "Solange du glücklich bist, sind wir's auch!" Moralischen Beistand leistet auch Julias langjährige Freundin Kathi Baumann, die sie stets ermutigt, ihren Non-Profit-Traum zu leben. "Gerade in schwierigen Zeiten!"

Julia ermutigt ihrerseits junge Menschen, die sich gegen Not engagieren wollen. "Wer den Impuls spürt, zu helfen, sollte ihn leben. Solche Menschen können dazu beitragen, die Welt jeden Tag ein bisschen besser zu machen." Dann wartet Julia mit Praktikumssuche-Tipps auf: "Es gibt viele große Vermittlungsbörsen für Auslandspraktika, die in meinen Augen reine Abzocke betreiben, wenn sie teilweise 1000 Euro Gebühren nur für die Vermittlung verlangen. Also nach einem ehrlichen, transparenten Projekt umsehen!"

Doch selbst dann kann es entmutigende Tiefschläge geben: "Was Frank und ich in Sri Lanka schlimm empfinden, ist die Korruption und in diesem Zusammenhang eine Erwartungshaltung, dass in Deutschland Geld auf den Bäumen wächst. Bis hin zu Versuchen, uns über den Tisch zu ziehen, um seinen eigenen Vorteil daraus zu ziehen."

Julia denkt dabei auch an "niederschmetterndes Hilf- und Machtlosigkeitsgefühl gegenüber Behörden. Allein im Kampf um unsere Visa müssen wir immer wieder starke Nerven haben. Man ist in einem fremden Land, will nicht mal Geld verdienen, sondern einfach nur armen Kindern helfen. Das ist manchmal schlimm!"

Für Julia persönlich ein Tiefschlag war der Auszug eines "ihrer" Mädchen zu Jahresbeginn. "Dishna kam mit fünf Jahren. Frank holte sie aus katastrophalen Verhältnissen, wo sie nur Wasser und trockenen Reis bekam. Sie war unterernährt, feinmotorisch unterentwickelt, geistig abwesend, stets traurig. In den nächsten Jahren lebte die Kleine förmlich auf. So durfte sie in den Ferien nach Hause.

Doch jedes Mal, wenn sie zurück kam, brauchte sie Tage, um auch mit ihren Gedanken wieder da zu sein, wieder zu lachen. Für uns ein Zeichen, dass was faul war. Dann eröffnete uns ihre Familie, Dishna wieder nach Hause zu holen. Oft fragte ich sie, ob sie wirklich wieder nach Hause möchte. Zauderndes ,Ja' mit Tränen in den Augen, deren Blick samt ihrer Körperhaltung das Gegenteil verrieten. Tiefschläge, mit denen man leben muss, um weiterhin Energie für alle anderen Mädchen hier an den Tag zu legen."

Freunde in Meiningen

An Feiertagen wie Weihnachten packt Julia manchmal das Heimweh. Denn nach Hause fliegt sie erst im Frühling, weil die Flüge preiswerter sind. Und in Thüringen berichtet Julia dann stets Pateneltern und Spendern, vor allem aus Meiningen und Umgebung, über ihre Arbeit, zeigt aktuelle Bilder, dankt allen herzlich. Eine Idee ihrer Eltern, die sehr gut angenommen wurde.

"Einer der Gäste, der SPD-Landtagsabgeordnete Rolf Baumann und gleichzeitig Papa meiner Freundin Kathi, schlug vor, daraus eine Art Freundeskreis für Dry Lands Project e.V. zu machen. Ziel: Aktuelles über unsere Arbeit und Probleme erfahren, gemeinsam beraten, wie weitere Interessenten und Spender gewonnen werden können.

Mittlerweile hat sich der Freundeskreis drei Mal zusammengefunden. Beim letzten Treffen in Meiningen waren es schon 30. Danke im Namen unserer Kinder! Denn wir müssen ohne Förderung des Entwicklungshilfe-Ministeriums, nur durch private Patenschaften und Spender auskommen."

Die neuen Räumlichkeiten sind nun bald fertig. "Bei Unterbringung von später mal 60 Kindern, die wir nur durch Kinderpatenschaften realisieren können, fehlen uns künftig trotzdem die monatlichen Betriebskosten, die wir durch zusätzliche Spendengelder und Projektpatenschaften akquirieren müssen. Wir sind dringend auf der Suche nach weiterer Unterstützung."

  • Erstellt am .
  • Aufrufe: 2316

Tauche ein in die Welt des Geschehens! Unser Newsletter hält dich stets auf dem Laufenden. Jetzt abonnieren.