Drylands Presseartikel

Praktikum weit weg, aber nahegehend

nachdem sie im Internet auf die Homepage der Stiftung gestoßen war. Die Schwaikheimer Studentin Valentina Fröhlich ist so fasziniert von dem Land, dass sie sich für ein Praktikum im Mädchenheim der Stiftung bewarb.

Valentina Fröhlich studiert in Stuttgart an der dualen Hochschule Soziale Arbeit. Sie muss auch ein Auslandspraktikum absolvieren.

Praktikanten2018Das Heim mit dem Namen „Angels Home for Children“ ist im Fischerdorf Marawila, das etwa zwei Fahrstunden von der Hauptstadt Colombo entfernt liegt. Dort leben rund 60 Mädchen und junge Frauen, zwischen sechs und 18 Jahren, die nicht mehr in ihren Familien bleiben können, sei es wegen deren Armut, wegen Gewalt, wegen Missbrauch, oder auch weil sie keine Eltern haben.

Um fünf Uhr bereits ist Wecken, damit bis sieben jede fertig ist für die Schule. Jedes der Mädchen hat eine Patenfamilie. Zu Valentinas Aufgaben gehörten Hausaufgabenbetreuung und Englischnachhilfe. „Dabei habe ich selbst auch ein paar Brocken Singhalesisch gelernt.“ Die Verständigung sei aber schwierig gewesen. Die Mädchen sprächen relativ schlecht Englisch. Aber sie seien sehr offen, freundlich.

Viele der Mädchen und jungen Frauen sind traumatisiert

Die Lebensumstände, die Geschichten der Mädchen mitzuerleben, sei manchmal frustrierend, so Valentina Fröhlich: „Das ist eine andere Welt.“ Es gebe zwar durchaus Jugendämter, die die Mädchen an das Heim vermitteln, aber das laufe bei weitem nicht so strukturiert ab wie in Deutschland. „Die stehen auf einmal vor der Tür. Da passiert alles von einem Tag auf den andern. Es gibt keine Eingewöhnungszeit.“

Die Mädchen seien allerdings sehr solidarisch untereinander: „Viele sind traumatisiert. Sie helfen sich gegenseitig, sind auch sehr anhänglich, wollen eigentlich nicht mehr weg.“ Das sei auch ein Grund, warum ein Praktikum nur drei Monate dauert: „Sonst entsteht eine zu starke Bindung, dann wird der Abschied, die Trennung sehr schwer. Bei allem, was sie vorher an Schlimmem erlebt haben, es wird aber auch viel gelacht dort.“

Hat sie in den drei Monaten etwas vom Land gesehen? Kaum, sie habe ja nicht klassische Freiwilligenarbeit geleistet, bei der es einen festen Feierabend gibt. Jeweils einen Tag in der Woche hatte sie zwar frei, musste aber abends wieder rechtzeitig zurück sein: „Das ist eine geschlossene Einrichtung und in Sri Lanka ist es nicht üblich, dass Frauen abends alleine unterwegs sind.“ Valentina Fröhlich hat, seit sie zurück ist, zusammen mit ihren Eltern ein Patenkind dort, schickt Päckchen hin, bekommt Bilder zurück. Sie sucht nun selbst an ihrer Hochschule nach Praktikantinnen für das Heim. Sie verfolgt deren Berichte, Tagebucheinträge online.

Der Missbrauch der Mädchen geschehe oft durch Verwandte. Die Armut sei extrem: „Da wohnen zehnköpfige Familien in Hüttchen.“ Die Eltern könnten oft nicht für ihre Kinder sorgen, manche lehnten sie sogar regelrecht ab. „Die Kinder aber, wenn sie älter werden, wollen ihre Familien unterstützen und deshalb unbedingt in ihrer Nähe bleiben. Die wollen, auch wenn sie dort Gewalt erlebt haben, zu den Eltern zurück.“

Die Mädchen hatten Mitleid mit ihr, weil sie noch nicht verheiratet ist

Ein großes Problem sei auch der verbreitete Alkoholismus. Viele Mütter arbeiteten im Nahen Osten, in den reichen Scheichländern, als Kindermädchen, Haushälterinnen. Als Valentina Fröhlich den Mädchen erzählte, dass sie, mit 24 Jahren, immer noch nicht verheiratet ist und auch noch keine Kinder hat, ist sie regelrecht bemitleidet worden. Als sie sich daran erinnert, muss sie selbst lachen.

Nach dem Tsunami

  • Gegründet wurde und geleitet wird das Heim von Deutschen. Frank Lieneke kam 2004 nach dem verheerenden Tsunami, um unmittelbar zu helfen. Er blieb, gründete einen Verein. Die andere Verantwortliche ist Julia Fischer, die vor13 Jahren die erste Praktikantin dort war.
  • Der Verein, das Mädchenheim, finanzierte sich komplett durch Spenden, vor allem aus Deutschland. Der Staat unterstütze nicht, eher im Gegenteil, so Valentina Fröhlich. Das Heim nehme die Mädchen nicht nur auf, bringe sie unter und sorge dafür, dass sie eine Schule besuchen, sondern versuche auch, ihre Ausbildung zu finanzieren oder zumindest den Mädchen bei der Suche nach einer Ausbildung zu helfen. Außerdem hat es selbst eine berufliche Ausbildungsstätte.
  • Für junge Frauen sei es schwierig, dort einen Beruf zu erlernen, weil auf Sri Lanka noch das traditionelle Rollenbild für Frauen gelte, also sehr früh zu heiraten, Kinder zu kriegen und von ihren Ehemännern versorgt zu werden, so Valentina Fröhlich.
  • Lienekes gemeinnütziger Verein heißt „Dry Lands Project e.V.“

Quelle: Winnender Zeitung vom 21.11.2018

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