Drylands Presseartikel

Praktikum im Kinderheim

in München ein duales Studium Betriebswirtschaftslehre, kurz BWL, aufnehmen. An sich nichts Außergewöhnliches, wenn Lisa nicht schon seit geraumer Zeit Sehnsucht nach der Ferne verspürte. Nach dem Abitur 2013 und einem Freiwilligen sozialen Jahr in Jena war die Zeit gekommen: Lisa Baumann reiste für drei Monate nach Sri Lanka, absolvierte ein Praktikum im dortigen Kinderheim Angels Home for Children in Marawila und kam merklich verändert zurück in die heimische Theaterstadt. "Schon beim Rückflug auf dem Frankfurter Flughafen kam mir die Welt plötzlich so hektisch vor. Es dauerte eine Weile, bevor ich mich wieder daran gewöhnt habe, um in Deutschland wieder Tritt zu fassen."

Warum? Lisa-Marie Baumann muss nicht lange überlegen: "In Sri Lanka habe ich gelernt, die Dinge auf mich zukommen zu lassen. Ohne in Hektik zu verfallen, weil vieles eben nicht sofort klappt und funktioniert. Zum Beispiel habe ich mir vor Ort eine Handy-Karte gekauft. Man darf nicht denken, dass man die ins Handy tut und dann kann man telefonieren. Ich musste bestimmt noch drei Mal in den Laden, wo der Verkäufer dies und das verändert und verstellt hat, bis ich dann endlich freigeschaltet war."

Lisa Marie BaumannAber warum ausgerechnet Sri Lanka? Weil sich dort das Kinderheim befindet, in dem die Meiningerin Julia Fischer seit Jahren ehrenamtlich mitarbeitet. Und die wiederum ist eine gute Freundin von Lisas Schwester Kathi. "Meine Familie steht in engem Kontakt zum Dry Lands Project e. V. unter Leitung von Frank Lieneke, der auch das Kinderheim ins Leben gerufen hat, das vom Verein betrieben wird. Wir haben sogar ein Patenkind im Angels Home for Children, die zehnjährige Madashika, die wir 2011 und 2012 auch besuchten. Für mich stand da schon lange fest: Hier will ich mal ein Praktikum absolvieren!"

56 Mädchen zwischen sechs und 19 Jahren leben in dem Kinderheim von Marawila. Hilfe ist da immer willkommen, zumal die Einrichtung ausschließlich über Spendengelder finanziert wird. Lisa betreute während ihres Aufenthaltes gemeinsam mit zwei anderen Praktikantinnen die Kinder. "Das begann 5 Uhr mit dem Wecken. Es folgte der Morgensport, dann der Frühstückstee." Das eigentliche Frühstück - Reis, früh, mittags und abends - bekommen die Kinder in ihren "Brot"-Büchsen mit in die Schule. "Brot gibt es nur mittwochs und sonntags, als Besonderheit", so Lisa schmunzelnd. Sie habe sich recht schnell an die Reis-"Orgie" gewöhnt, zumal es zum Reis ja immer auch Curry und Co. gab.

Typischer Markt in Sri Lanka"Ein sehr gesundes Essen. Alles ist immer frisch vom Markt, Obst wie Mango oder Bananen kommt aus dem eigenen Garten, ebenso Bohnen und Kräuter. Der Fisch ist frisch aus dem Meer. Freilich habe ich in Marawila so manches Mal Lust auf Leberwurstbrot mit Gurke bekommen - aber hier zu Hause sehne ich mich schon wieder nach dem Curry-Reis ..."

Einfach, sparsam, lebensfroh - so könne sie das Leben im Kinderheim beschreiben. "Morgens habe ich zum Beispiel die Zahnpasta verteilt, damit die Kinder lernen, nicht zu verschwenderisch damit umzugehen. Ebenso Seife zum Waschen. Auf Reinlichkeit wird im Heim sehr geachtet. So müssen sich die Kinder, wenn sie nach der Mittagszeit aus der Schule kommen, immer erst einmal waschen. Dazu gibt es einen Waschplatz mit zwei runden Bottichen und einer Art langem Tisch. Mit einem Becher übergießen sich die Kinder dann mit - genau abgezähltem - kaltem Wasser. Duschen gibt es für sie nicht. Denn auch Wasser ist rar und wertvoll vor Ort."

Wäschewaschen von Hand ist eine Selbstverständlichkeit. "Die Schuluniformen müssen die Kinder täglich waschen. Schließlich schwitzen auch die Einheimischen bei Temperaturen um die 30 Grad ganz tüchtig. "Auch wir Praktikantinnen trugen eine Uniform: Wickelrock und locker sitzendes T-Shirt. Knie und Schultern mussten immer bedeckt sein - aus Respekt vor den Einheimischen. Man macht sich irgendwann auch gar keine Gedanken mehr um sein Aussehen und was andere über einen denken könnten. Das ist befreiend und so ganz anders als in Deutschland."

Lisa-Marie Baumanns Praktikum fiel teilweise in die Regenzeit. "Da sinken die Temperaturen schon mal auf 24, 25 Grad. Da habe ich gefroren, musste einen Pulli überziehen. Und dann Sich-Waschen nur mit kaltem Wasser! Das war schon hart", schaudert die junge Meiningern.

Eher ein Kribbeln fährt ihr über die Kopfhaut, als sie von den Läusen erzählt. "Alle haben Läuse dort! Das ist gar nicht zu vermeiden. Schon alleine beim Umarmen der Kinder bekommt man sie. Mein Kopf war auch zweimal befallen. Vor Ort brachte ein Läusekamm Erleichterung. Vor der Heimreise behandelte ich sie dann und sie gingen schnell wieder weg." Dennoch legen die Mädchen sehr viel Wert auf ihre Haare. Morgens ölen sie sie und flechten sie zu Zöpfen, bevor es in die Schule geht.

Ob Englisch-Nach- und Hausaufgaben-Hilfe, Erlebnisberichte schreiben, in der Küche helfen, Gartenarbeit, Kontrolle der Schränke der Mädchen ("Ob auch alles ordentlich ist.") oder Holz zur Feuerstelle bringen ("Fast alles funktioniert ohne Strom."): An Arbeit mangelte es der Praktikantin nicht. "Die Kinder gehen im Übrigen sehr liebevoll miteinander um. Sie teilen alles. Die großen helfen den kleinen Kindern, erziehen sie wie in einer richtigen Familie."

Im Angels Home for Children "leben" zwei Religionen Tür an Tür friedlich nebeneinander: das Christentum und der Buddhismus. Doch nicht nur davon zeigt sich Lisa Baumann recht beeindruckt: "Einmal im Monat verbringen die Buddhisten unter den Mädchen einen ,heiligen Tag' in einem Tempel. Ich durfte dabei sein, das war echt spannend. Im Tempel treffen sich alle Generationen, von jung bis alt. Sie sitzen auf dem Boden, essen, lauschen den Gebeten. Obwohl ich nichts davon verstanden habe, fiel alles von mir ab. Alle Gedanken, jeglicher Stress. Man besinnt sich auf einmal auf sich selbst. Alles wird so ruhig und angenehm."

Fernweh nach MarawilaJa, Fernweh nach Marawila befalle die 20-Jährige schon hin und wieder. "Dort habe ich gelernt, dass man mit nur wenig fürs Leben auskommen und glücklich sein kann. Ein Bett, ein Schrank, ein Moskitonetz. Sri Lanka ist so etwas wie eine zweite Heimat geworden für mich. Das Land hat so viele Facetten, einfach schön. Allerdings: Es ist schwer, dort Freundschaften zu schließen außerhalb des Heimes. Es ist ein armes Land und die Bewohner sehen jeden Weißen als Reichen an. Vieles funktioniert dort nur über Korruption."

„Dort habe ich gelernt, dass man mit nur wenig fürs Leben auskommen und glücklich sein kann. Sri Lanka ist so etwas wie eine zweite Heimat geworden für mich.“

Lisa-Marie Baumann über ihren Besuch im Kinderheim Marawila, Sri Lanka#

 

Dry Lands Project e. V.

·       Die Meiningerin und Diplom-Kommunikationspsychologin (FH) Julia Fischer ist seit sieben Jahren als ehrenamtliche Mitarbeiterin im Kinderheim Angels Home for Children in Marawila/ Sri Lanka tätig.

·       FW Meininger Tageblatt berichtet in unregelmäßigen Abständen über das Kinderheim und den Verein Dry Lands Project, den Frank Lieneke, Leiter des Kinderheimes, 2005 ins Leben gerufen hatte.

·       Der Verein kümmert sich um elternlose und vernachlässigte Kinder in Sri Lanka. Der Verein öffnete 2006 seine erste eigene Einrichtung: das Kinderheim in Marawila, in dem Mädchen von 4 bis 18 Jahren untergebracht sind.

www.dry-lands.org

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