Drylands Presseartikel

Erschreckende Lebensgeschichten

Seit 2005 lebt der Lengericher Frank Lieneke in Sri Lanka. Auf der Insel hat er das Kinderheim „Angels Home for Children“, das er mittlerweile zusammen mit seiner Partnerin Julia Fischer leitet – mit dem Lengericher Verein Dry Lands Project im Rücken. Jetzt berichtet er über die aktuelle Situation in der Einrichtung, die natürlich auch durch die Corona-Pandemie stark beeinflusst ist.

Ein Tag im November am Frankfurter Flughafen: Tausende Menschen verschiedener Nationalitäten hasten durch die Abflughallen, große Koffer hinter sich her ziehend oder kleine Trolleys vor sich hin rollend. Mitten unter ihnen der Lengericher Frank Lieneke, der soeben angekommen ist. Eine Sache unterscheidet ihn von den meisten deutschen Fluggästen: Er tritt heute keinen Hinflug an und hat kein festes Datum im Kopf, wann er wieder in Deutschland sein wird. Für ihn ist es nach einem zweiwöchigen Urlaub die Rückreise in seine zweite Heimat Sri Lanka.

Und während viele Menschen um ihn herum in Urlaubsstimmung sind oder als Geschäftsreisende Gewissheit über ihre Termine haben, hat sich Frank Lieneke ein paar Stunden zuvor von seinem 81-jährigen Vater am Lengericher Bahnhof verabschiedet und weiß noch nicht, wann er ihn und seine Mutter das nächste Mal in die Arme schließen kann.

Da freuen sie sich die Eltern, den Bengel wiederzusehen.Seit Januar 2005 lebt der 57-Jährige in dem Inselstaat im Indischen Ozean und kümmert sich dort um vernachlässigte Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen. In seinem Kinderheim „Angels Home for Children“ an der Westküste Sri Lankas finden bis zu 60 Bewohnerinnen Platz. Fast alle von ihnen kommen nach den Worten von Frank Lieneke aus familiären Strukturen, in denen häusliche Gewalt, finanzielle Nöte und teilweise auch sexueller Missbrauch an der Tagesordnung sind. Ihre Lebensgeschichten seien fast immer erschreckend und für deutsche Verhältnisse nur schwer nachvollziehbar.

Frank Lieneke leitet das Kinderheim gemeinsam mit seiner Partnerin Julia Fischer, die aus Thüringen stammt und seit 2007 mit ihm vor Ort ist. Für die selbstgewählte Lebensaufgabe, so das Paar, stellten sie viele persönlichen Bedürfnisse hinten an. Sie seien zudem stets bemüht, den in Lengerich ansässigen Verein Dry Lands Project weiter voranzutreiben und mehr Bekanntheit zu erlangen. Durch eine ständig aktuelle Webseite mit Offenlegung aller ein- und ausgehenden Spendengelder sowie tägliche Präsenz auf sozialen Medien wollen sie ihre Arbeit für jedermann transparent machen. Ihre oberste Prämisse ist demnach, „die engagierten Sponsoren und Pateneltern des Projekts stets auf dem Laufenden zu halten und Einblick zu geben in ihre Arbeit mit den Kindern“.

Für Frank Lieneke war es im Herbst der erste Aufenthalt in Deutschland seit zweieinhalb Jahren. Wenn er so auf die Zeit in der alten Heimat zurückblickt, dann sei es nicht wirklich ein Urlaub, stellt er fest. Zu viele Verpflichtungen und Termine, die in irgendeiner Form mit dem Projekt zu tun gehabt hätten, abschalten sei so kaum möglich gewesen. Zudem sei er in Gedanken oft auch beim Kinderheim gewesen. Dürfen die Mädchen endlich wieder zur Schule? Wird sich angemessen um den Garten gekümmert? Kann das einheimische Personal die wöchentlichen Einkäufe allein bewältigen? Und werden der Einrichtung während seiner Abwesenheit neue Kinder zugeteilt? Fragen wie diese beschäftigten ihn in Deutschland, berichtet der Lengericher. Antworten bekam er über das Internet. Julia Fischer hielt ihn so über die aktuellen Geschehnisse auf dem Laufenden.

Die vergangenen eineinhalb Jahre seien auch in Sri Lanka sehr stark von der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen geprägt gewesen, rekapitulieren sie. Die Mädchen hätten fast die gesamte Zeit über nicht zur Schule gehen und durch landesweit verhängte Ausgangssperren auch das Kinderheim nicht verlassen können. Außerdem habe es vom staatlichen Jugendamt die Auflage gegeben, dass keine externen Besucher mehr in die Einrichtung kommen durften.

Somit seien für die Kinder nicht nur zusätzlicher Nachhilfeunterricht und psychologische Beratungen gestrichen, sie hätten auch für lange Zeit keinen Besuch von ihren Angehörigen bekommen, wie es sonst einmal pro Monat üblich sei. Stattdessen seien mit dem einheimischen Personal Lerngruppen organisiert und der Unterrichtsstoff der Schule so gut wie möglich darüber vermittelt worden. „Trotz aller Bemühungen war die Zeit für alle Mädchen und Angestellten im Angels Home for Children sehr schwierig“, sagen Julia Fischer und Frank Lieneke. Da über Monate hinweg niemand rein oder raus durfte und man permanent mit denselben Personen zusammen war, machten sich ihren Worten zufolge irgendwann „natürlich Frustration und schlechte Stimmung breit“. Mehr denn je habe sich der Verein während dieser Zeit über den positiven Zuspruch vieler Interessenten und Freunde gefreut, die sich nach der Situation im Land und dem Befinden der großen und kleinen Bewohner im Kinderheim erkundigt hätten.

Mittlerweile habe sich die Lage in Sri Lanka ein wenig entspannt. Die Impfbereitschaft der Bevölkerung sei gewachsen und habe Lockerungen bei der Einreise und beim Import internationaler Waren ermöglicht. „Seit Anfang November konnten endlich auch die Schulen schrittweise wieder öffnen und so nehmen auch die Mädchen aus dem Angels Home for Children wieder täglich am Präsenzunterricht teil.“ Trotz all dieser Entwicklungen reiste Frank Lieneke mit gemischten Gefühlen zurück auf die Insel. Immense Preissteigerungen und große Tourismuseinbußen während der letzten Monate hätten zu allgemeiner Aufbruchstimmung unter den Einheimischen geführt. Viele versuchten in diesen Zeiten, einen Job im arabischen Ausland zu ergattern und ihr Heimatland zu verlassen. Seit Wochen suche das Angels Home for Children erfolglos neues Personal für die Betreuung und Versorgung der sechs- bis 20-jährigen Mädchen. „Es scheint fast unmöglich, neue engagierte Leute zu finden“, so Frank Lieneke. Auf lange Sicht würden sich der Lengericher und seine Partnerin auch über eine zusätzliche Verstärkung aus Deutschland freuen, die sich vorstellen könnte, dauerhaft in das Projekt mit einzusteigen und regelmäßig mehrere Monate auf der Insel zu verbringen. Wer Interesse daran hat oder sich tiefer gehender über das Kinderheim informieren möchte, sei eingeladen, auf der Webseite www.dry-lands.org oder auf den sozialen Netzwerken vorbeizuschauen und mit den beiden Projektleitern Kontakt aufzunehmen.

Spendenkonto: Stadtsparkasse Lengerich, IBAN DE 96 4015 4476 0001 0987 22, BIC WELADED1LEN

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